Die Qualifizierung in Elementarer Musikpädagogik (EMP) an der Akademie der Kulturellen Bildung in Remscheid bietet eine besondere Kombination aus Musikpädagogik und künstlerischem Schaffen. Herbert Fiedler, Leiter des Fachbereichs Musik, erläutert, wie Musikpädagog*innen hier ihre künstlerische und pädagogische Persönlichkeit entfalten und dabei auch Bühnenerfahrung sammeln.
Musikpädagogik als Kunst
Torsten Schäfer: Die EMP-Qualifizierung an der Akademie der Kulturellen Bildung in Remscheid ist in drei Stufen aufgebaut. Wie setzt sie sich zusammen?
Herbert Fiedler: Die erste Stufe EMP Basic konzentriert sich auf den Transferprozess für Kinder. EMP Advanced öffnet sich für die Zielgruppen Jugendliche oder Erwachsene und vertieft die Inhalte. In der letzten Stufe, EMP High Performance, geht es um künstlerische Prozesse. Nach jeder Stufe schließt man mit einem Abschluss ab. Die aufbauende Struktur erlaubt es, nicht alle Stufen zu durchlaufen, auch wenn die meisten Teilnehmenden dies tun.
Schäfer: Welche Schwerpunkte setzen Sie in der Ausbildung?
Fiedler: Drei Aspekte sind besonders: Erstens die persönliche Weiterentwicklung, denn wir arbeiten individuell mit den Teilnehmenden. Beim Anleitertraining entwickeln die Teilnehmenden beispielsweise Konzepte, die auf ihre jeweilige Person zugeschnitten sind. Zweitens setzen wir digitale Tools wie iPads oder Zoom ergänzend zu analogen Lehrsituationen ein und reflektieren, wann sie sinnvoll sind. Drittens ist der künstlerische Prozess zentral: Wir fragen, was künstlerisches Sein in der Pädagogik bedeutet und schärfen so die pädagogische Sprache.
Schäfer: Inwiefern wirkt der künstlerische Anteil auf die pädagogische Entwicklung?
Fiedler: Schon in der EMP Basic geht es um künstlerische Auseinandersetzung, z. B. durch Vorspiele am Instrument. Die Prozesse sind in dieser Phase noch über die pädagogische Auseinandersetzung gesteuert. Dabei geht es um die Frage, wie ich mit Kindern oder Jugendlichen künstlerische oder choreografische Prozesse in Musik, Bewegung, Material etablieren kann. Die dritte Qualifizierungsstufe jedoch lässt die pädagogische Perspektive außen vor und fordert zu einer tiefen, individuellen Reflexion heraus, die wiederum in die pädagogische Haltung einfließt.
Schäfer: Was bedeutet es für Musik-pädagog*innen, auch künstlerisch tätig zu sein?
Fiedler: Musikpädagogik ist immer auch künstlerisch, da Musik selbst ein künstlerisches Medium ist. Aber es gibt unterschiedliche Formen der Bewusstwerdung in der Auseinandersetzung mit Musik. Beim Vorspiel am Instrument mache ich mir Gedanken über die Musik und wie ich sie interpretiere. Wenn ich im nächsten Schritt aber beobachte, wie ich mich zur Musik bewege, wie ich mich in der Auseinandersetzung mit ihr geistig verändere und sich dadurch wiederum die Bewegung wandelt, dann löst dies neue Denkprozesse aus. Deswegen sind das Bewusstwerden und die Sensibilisierung so wichtig. Solche Reflexionsprozesse brauchen Zeit und sind essenziell. Aus diesem Grund dauert die Qualifizierung länger, was mehr Raum für persönliche Entwicklung lässt.
Schäfer: Die Weiterbildung endet mit einem Auftritt im Teo Otto Theater in Remscheid. Warum haben Sie diese Form des Abschlusses gewählt?
Fiedler: Die Teilnehmenden entwickeln ein 20-minütiges Solo-Programm. Dafür brauchen sie eine Dramaturgie, die diese Zeitspanne trägt. Bei unserer Kooperation mit dem Teo Otto Theater arbeiten die Teilnehmenden mehrere Tage vor Ort mit Licht- und Tontechnikern zusammen. Im Kontakt mit dem Theater lernen sie, welche Auswirkungen die Bandbreite an Licht und Ton auf die Performance und das eigene Produkt hat.
Schäfer: Und die Bühnenerfahrung prägt auch im pädagogischen Umgang mit Kindern und Jugendlichen?
Fiedler: Richtig, denn wenn man in künstlerischen und pädagogischen Kontexten arbeitet, hat man immer eine Vorbildfunktion. Wer Kinder und Jugendliche auf die Bühne schickt, muss wissen, was der Gang auf die Bühne bedeutet. Wer diese Erfahrung nicht besitzt und nicht erlebt hat, was dabei an Emotionen wie Angst, Frustration, aber auch Glück mitschwingt, ahnt nicht, wie sehr man seine Schützlinge damit an Grenzen führt.
Schäfer: Greifen Sie und Ihre Kollegin Jana Schmück in die künstlerischen Prozesse ein?
Fiedler: Oft helfen wir, Sackgassen als solche zu erkennen, um im künstlerischen Prozess einen neuen Weg einzuschlagen. Jana Schmück und ich geben keine Lösungen vor, sondern regen die Teilnehmenden an, eigene Antworten zu finden, indem wir vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen gezielt Fragen stellen, wie: „Warum machst du jetzt diesen Schritt?“ Indem wir ein Bewusstsein dafür wecken, warum jemand auf gewisse Weise im künstlerischen Prozess handelt, entwickeln sich die nächsten Schritte oft intuitiv mit.
Schäfer: Wie erleben es die Teilnehmenden, plötzlich auf der Bühne zu stehen?
Fiedler: Bislang sind alle Teilnehmenden begeistert von der Bühne gekommen und viele haben auch die Sehnsucht, wieder aufzutreten. Eine Gelegenheit dafür bietet einmal im Jahr unser Netzwerktreffen Atelier MusikKunst. In Zusammenarbeit mit dem Teo Otto Theater gibt es unter der Marke „Made in Remscheid“ die Möglichkeit, gemeinsam mit bekannten Musikern zu experimentieren. In diesem Jahr waren wir mit Michael Koschorreck auf der Bühne.
Schäfer: Welche Bedeutung hat das Atelier für die Weiterentwicklung der Teilnehmenden?
Fiedler: Beim Atelier MusikKunst treffen sich nicht nur unsere Absolvent*innen, sondern es steht auch Studierenden aus EMP und Rhythmik offen. Im Atelier sammeln wir Ideen und entwickeln in wenigen Tagen neue Formate – pädagogisch und künstlerisch. 2025 arbeiten wir im Atelier MusikKunst im Teo Otto Theater mit den Currywurst Brothers zusammen. Zusätzlich überlegen wir, ob wir noch andere Spielorte wie den Marktplatz oder die Fußgängerzone wählen, um den künstlerischen Raum für alle zu erweitern.
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