Hauptbild
Elementare Musikpädagogik an der Musikschule der Stadt Hattingen in Kooperation mit der Städtischen Kita Blankenstein in Hattingen. Foto: Kurt Rade
Elementare Musikpädagogik an der Musikschule der Stadt Hattingen in Kooperation mit der Städtischen Kita Blankenstein in Hattingen. Foto: Kurt Rade
Banner Full-Size

Strategien, Strukturen, Evaluationen

Untertitel
Kulturelle Vielfalt an öffentlichen Musikschulen in NRW
Autor
Publikationsdatum
Body

Der Landesverband der Musikschulen (LVdM) fördert seit vielen Jahren die Öffnung der Musikschulen für alle Musikkulturen der Welt. Zentrales Projekt ist derzeit „Heimat: Musik“ zu Angeboten mit Geflüchteten an Musikschulen in NRW. Zudem engagiert sich der Verband in weiteren Initiativen der kulturellen Vielfalt, wie beim „Runden Tisch Diversität“ oder in der Partnerinitiative „Interkulturelle Öffnung als Erfolgsfaktor – NRW stärkt Vielfalt!“, und ruft aktuell eine eigene Initiative gegen Diskriminierung und Rassismus ins Leben.

„Heimat: Musik“

2016 hat der LVdM die Initiative „Heimat: Musik“ zu Projekten und Angeboten mit Geflüchteten an Musikschulen in NRW gestartet, gefördert vom Kulturministerium NRW. An 46 öffentlichen Musikschulen werden derzeit sogenannte „Mini-Projekte“ mit einer unbürokratischen, einfachen Förderstruktur unterstützt, über 2.000 Schüler*innen nehmen an 167 Projekten teil und können in Chören, Kleingruppen und Ensembles miteinander musizieren. Neben den „Mini-Projekten“ werden auch Fortbildungen, Workshops, Austauschplattformen und Fachtage zur interkulturellen Arbeit mit Geflüchteten angeboten. Insgesamt hat das Land NRW seit dem Start von „Heimat: Musik“ 2016 bis Ende 2020 über 2 Millionen Euro Fördergelder bereitgestellt.

Die Angebote im Rahmen von „Heimat: Musik“ sind breit gefächert: Die Teilnehmer*innen musizieren in Mehr-Generationen-Chören, Bands, orientalischen Ensembles, arbeiten in musikalisch begleiteten Sprachkursen, HipHop-Gruppen, in der Musikalischen Früherziehung oder der Kita und in Willkommensklassen. Grundsätzlich sollen in den Kursen, sofern möglich, Geflüchtete und Nicht-Geflüchtete zusammenkommen.

Weiterbildung und Austausch wird den Lehrkräften im Rahmen von professionell konzipierten interkulturellen Trainings angeboten oder auch auf kommunaler Ebene in Zusammenarbeit mit den Kommunalen Integrationszentren und weiteren Bildungspartnern. Zudem finden Schulungen zu Themen wie kultursensible Elternarbeit, zu Hintergründen von Flucht und Migration und – rein praktisch – zu orientalischen Spielweisen statt. Für die musikalische Lernbegleitung in Sprachkursen hat der LVdM mit einem Team von Sprach- und Musikschullehrkräften eigens Materialien entwickelt und veröffentlicht, die den Musikschulen zur Verfügung gestellt werden (www.musikalischelernbegleitung.de).

Die Arbeit in den Projekten wird regelmäßig vom LVdM NRW evaluiert. Die Ergebnisse zeigen unter anderem, dass die anfänglich hohe Fluktuation nachgelassen hat und somit mehr Zeit für nachhaltige und tiefergehende kulturelle Bildung bleibt. Auffällig ist auch die hohe Motivation der Lehrkräfte und die vielfältige Entwicklung neuer Konzepte. „Es wird deutlich“, so LVdM-Projektleiterin Viola Boddin, „dass die Projekte mehr und mehr zum selbstverständlichen Teil des „Musikschulalltags“ werden“. „Heimat: Musik“ soll im kommenden Jahr in den bewährten Strukturen weitergeführt werden. „Für eine nachhaltige und fundierte Arbeit ist eine kontinuierliche Förderung von großer Bedeutung – nicht nur für unsere langfristige Planung. Denn vor allem möchten wir eine Kontinuität für die geflüchteten Menschen schaffen, die aufgrund ihrer Lebenssituation vielen Unsicherheiten ausgesetzt sind.“

Die wichtigsten Aspekte von „Heimat: Musik“ hat der LVdM NRW in einem Filmbeitrag hervorgehoben, wie etwa kulturelle Teilhabe der Teilnehmenden, gesellschaftliche Verbundenheit, generationsübergreifende Arbeit und die musikalische Vielfalt. Zu sehen ist der Film unter anderem auf der Projekt-Homepage unter www.heimat-musik.de.

Runder Tisch Diversität in Kunst und Kultur

Der „Runde Tisch Diversität“ arbeitet seit mehreren Jahren aktiv an der Weiterentwicklung und Gestaltung von Diversität in Kunst und Kultur in Nordrhein-Westfalen. Er arbeitet als dezentrales Instrument, trägt Erfahrungen und Expertise zusammen, ist Ansprechpartner und Berater für Kulturpolitik und -praxis und Beförderer eines diversitätsorientierten Diskurses in der Kultur. Das Gremium setzt sich aus verschiedenen Kulturinstitutionen beziehungsweise -verbänden des Landes NRW zusammen, neben dem LVdM sind das etwa das NRW Kultursekretariat, der Landesmusikrat NRW oder die Landesmusik­akademie NRW und viele mehr. Gegründet wurde es als „Round Table Refugee Citizen“ durch das NRW Kultursekretariat Wuppertal unter Beteiligung des NRW-Kulturministeriums, wurde dann von der Zukunftsakademie NRW (ZAK) weitergeführt. Seit der Schließung der ZAK Ende 2019 ist der Landesverband der Musikschulen Gastgeber des Runden Tisches. Im Juni 2020 wurde der „Erste Konsens des Runden Tisches NRW für eine Kunst- und Kulturlandschaft der Gesellschaft der Vielen!“ veröffentlicht, dessen zentrale Forderung die Verstetigung und Vertiefung der Fördermaßnahmen im Bereich Teilhabe und Interkultur ist. Der Konsens wurde vor der weltweiten Verbreitung von COVID19 entwickelt, aber die Folgen der Krise verschärfen die Notwendigkeit, sich gerade jetzt der darin genannten Forderungen anzunehmen. Um eine diversitätsgerechte Organisationsstruktur und Chancengleichheit in der Förderung von Kunst und Kultur zu verankern, sollen diesem ersten gemeinsamen Aufschlag konkrete Maßnahmen und weitere Positionierungen des Runden Tisches Diversität folgen.

NRW stärkt Vielfalt: Diversität in Kollegien

Der LVdM NRW ist Mitglied der Partnerinitiative „Interkulturelle Öffnung als Erfolgsfaktor – NRW stärkt Vielfalt!“ des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration. Ziel der Landesinitiative ist hier die Förderung kultureller Vielfalt in den Kollegien verschiedenster Institutionen. Die Initiative veranstaltet Austauschtreffen und gibt für die Verbandsarbeit wichtige Impulse zu Strategien, Strukturen und Evaluationen von langfris­tigen Entwicklungsprozessen in der Interkulturellen Öffnung. Ermöglicht wird so ein direkter Austausch mit Institutionen, die im Alltag weniger zum unmittelbaren Arbeitsumfeld des Verbands gehören – wie beispielsweise die Kommunalen Integrationszentren, Jobcenter oder Wohlfahrtsverbände.

Zur konkreten Förderung kultureller Vielfalt in den Kollegien der öffentlichen Musikschulen kooperiert der LVdM NRW mit der Landesmusik­akademie NRW und der Hochschule für Musik und Tanz Köln im Zertifikatslehrgang „Musikpädagogik für Musiker*innen anderer Kulturen“: Der seit drei Jahren stattfindende Lehrgang hat zum Ziel, Musiker*innen aus zugewanderten Kulturen den Einstieg in ein Berufsleben im musikpädagogischen Bereich zu ermöglichen. Die Teilnehmer*innen des einjährigen Lehrgangs erhalten mit ihrem Abschluss ein Profilschreiben, das von den Musikschulen angefordert werden kann, um passgenau eine qualifizierte Lehrkraft zu finden und einzustellen. Aus dem ersten Lehrgang wird inzwischen fast die Hälfte der Teilnehmer*innen an öffentlichen Musikschulen beschäftigt. Da die ausgebildeten Musiker*innen Musikkulturen repräsentieren, die bislang nicht oder kaum an Musikschulen vertreten waren, kommt der Zusammenarbeit mit den Musikschulleitungen in NRW inhaltlich wiederum eine besondere Bedeutung zu: So kann die Öffnung der Musikschulen für andere Musikkulturen fundiert weiterentwickelt werden, um damit auch die Kollegien in ihrer Diversität zukunftsorientiert aufstellen zu können. Zur statistischen Begleitung dieser Entwicklung wird der LVdM NRW im Herbst 2020 eine diversitätsorientierte Erhebung zu Beschäftigungsstrukturen durchführen.

Neue Initiative gegen Diskriminierung

Nicht zuletzt bereitet der LVdM NRW derzeit eine neue Vielfalt-Initiative vor, die im Kern ein Bekenntnis der öffentlichen Musikschulen gegen Ausgrenzung, Diskriminierung und Rassismus darstellt. Eine Initiative, die aufgrund der aktuellen Brisanz durch rassistisch motivierte Übergriffe – in Deutschland und weltweit – für den Verband von großer Bedeutung ist. „Die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen bewegen uns erneut dazu, unsere Haltung als kommunale Musikschulen in Nord­rhein-Westfalen verstärkt zum Ausdruck zu bringen“, so Ruddi Sodemann, stellvertretender Vorsitzender des LVdM. „Wir haben uns auf der Grundlage der Potsdamer Erklärung des VdM 2014 dazu bekannt, für alle Menschen den Zugang zur musikalischen Bildung und zum gemeinsamen Musizieren zu ermöglichen, Ausgrenzungen und Barrieren abzubauen, kulturelle Vielfalt zu fördern und für ein kreatives und respektvolles Klima an Musikschulen zu sorgen. Wir stehen für Freude am gemeinsamen Musizieren mit allen Menschen, mit denen wir hier zusammenleben.“

Im Rahmen der Initiative „Vielfalt macht Spaß! gemeinsam – lebendig – unverzichtbar“ produziert der Verband einen Film und wird diesen zusammen mit einem landesweiten Aufruf an Musikschulen und einer Social-Media-Kampagne im Herbst veröffentlichen.

Hedwig Otten (Landesverband der Musikschulen in NRW)

Autor
Print-Rubriken
Unterrubrik