Seit April ist der Kulturmanager Markus Lüdke künstlerischer Leiter der niedersächsischen Landesmusikakademie. Der 54-Jährige übernimmt das Amt von Tom Ruhstorfer, der Anfang des Jahres in den Ruhestand verabschiedet wurde. Die Landesmusikakademie versteht sich als Arbeits-, Fortbildungs- und Begegnungsstätte für Laienmusiker aus ganz Niedersachsen. Sie entstand 2009 als gemeinnützige GmbH als 100-prozentige Tochter des Landesmusikrates Niedersachsen. Für die nmz unterhielt sich Andreas Kolb mit Markus Lüdke über dessen Pläne für die Akademie.
neue musikzeitung: Herr Lüdke, seit April 2018 sind Sie künstlerischer Geschäftsführer der Landesmusikakademie in Wolfenbüttel. Bisher mussten Sie das große Musikflächenland Niedersachsen betreuen, jetzt sind Sie in Wolfenbüttel – wollen Sie sesshaft werden?
Markus Lüdke: Das eine hängt eng mit dem anderen zusammen. Auch die Akademie hat den Auftrag, das Musikleben des gesamten Landes zu unterstützen. Dafür hilft meine Vernetzung in das Flächenland Niedersachsen, die ich nach Wolfenbüttel mitbringe, sehr.
nmz: Sie sind weiterhin Geschäftsführer des Musiklandes – was ist da geplant?
Lüdke: Es werden konstruktive Gespräche bezüglich einer engen Zusammenarbeit zwischen der Musikland Niedersachsen gGmbH und der Landesmusikakademie geführt. Die beiden Einrichtungen ergänzen sich sehr gut: eine landeszentrale Einrichtung mit eigenem Haus und eine dezentral im ganzen Land operierende Einrichtung.
nmz: Die Musikakademie in Wolfenbüttel ist eine recht junge Landesmusikakademie. Wie würden Sie sie mit wenigen Sätzen porträtieren?
Lüdke: Die Akademie ist als Heimstätte der Landesensembles geplant worden, an der diese unter besten Bedingungen proben, arbeiten und sich entwickeln können. Daneben sollte sie der gesamten Musikszene Niedersachsens offenstehen – als Ort mit einer optimal auf Musik ausgerichteten Infrastruktur. Das ist in wunderbarer Weise umgesetzt worden, was sich nicht zuletzt an den Belegungen ablesen lässt. Nach ihrer Eröffnung hat die Akademie viel früher als erwartet die geplanten Auslastungszahlen erreicht – und übertroffen. Künftig soll sie sich von einem vorwiegenden Beleghaus zu einem Ort entwickeln, von dem inhaltliche Impulse ausgehen, etwa durch ein Kursprogramm, durch Tagungen und Kongresse.
nmz: Damit wären wir beim Profil der Akademie. Was schwebt Ihnen vor?
Lüdke: Das Thema Musikvermittlung bringe ich aus meinen vorherigen Tätigkeiten mit. Hier bieten sich dann auch neue Potenziale im Verbund mit dem Dienst für Musikvermittlung des Musiklands. Gemeinsam möchten wir Qualifizierungsangebote entwickeln – von der Konzertmoderation über Programmgestaltung und -dramaturgie bis hin zu interaktiven oder Mitmachformaten.
nmz: An welche weiteren Partner neben dem Musikland denken Sie noch?
Lüdke: An die Musikschulen des Landes natürlich. Das Musikalisierungsprogramm in Niedersachsen heißt „Wir machen die Musik“ und funktioniert in dem großen Verbund der Musikschulen in Niedersachsen flächendeckend sehr gut. Es soll eigentlich weiter wachsen, stößt im Augenblick allerdings an Grenzen. Die Musikschulen wünschen sich Qualifizierungsmaßnahmen für ihre eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um dem großen Bedarf nachkommen zu können.
Vor dem Hintergrund des Mangels an qualifizierten Lehrkräften für das Fach Musik insbesondere an Grundschulen liegt uns auch die Lehrerbildung am Herzen. Hier möchten wir die Zusammenarbeit mit dem dafür zuständigen Niedersächsischen Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) weiter ausbauen.
Schließlich verfügt die Akademie über besondere Möglichkeiten im Bereich Multimedia. Von unserem Tonstudio aus können wir nicht nur Probenergebnisse in nahezu jedem Raum mitschneiden, es kann und soll selbst zum Lernort und -gegenstand werden – etwa in Kursen zur digitalen Musikproduktion. Ein Computerschulungszentrum bietet speziell für Musik und Multimedia eingerichtete Arbeitsplätze. Dort denken wir insbesondere in Bezug auf DIY, also „do it yourself“, weiter. Das betrifft dann auch wieder die Musikschulen: Diese müssen sich fragen, wie sie mit Jugendlichen umgehen, die sich heute eher autodidaktisch über YouTube-Tutorials oder Internet-Foren Musik selbst beibringen. Wir planen hierzu eine DIY-Convention als eine Art „repair cafe“, zu der alle ihre eigene Technik mitbringen und sich gegenseitig helfen und unterstützen.
nmz: Eine Besonderheit der niedersächsischen Akademie ist das enge Verhältnis zur Stadt Wolfenbüttel. Wie gestaltet sich das?
Lüdke: Neben dem Land hat sich die Stadt bei der Gründung ganz wesentlich eingebracht: Zum einen mit ihrem Jugendgästehaus, das zum Akademie-Ensemble gehört und das nach wie vor die Stadt trägt und betreibt. Zum anderen mit der historischen Villa Seeliger, die mitten im Park und in Sichtweite zum Akademieneubau liegt. Dort sind die Verwaltung der Akademie, aber auch weitere Probe- und Arbeitsräume untergebracht.
Nicht allein aus diesem Grund ist es mein Wunsch, das Haus in Richtung Stadt und Region zu öffnen. Dazu entwickeln wir aktuell neue Veranstaltungsformate in engem Austausch mit Partnern aus Wolfenbüttel. Ein Beispiel dafür ist die Kooperation mit dem Summertime Festival, das die Stadtjugendpflege Wolfenbüttel gemeinsam mit etwa 200 Jugendlichen alljährlich im Juni auf die Beine stellt. Die Stadt schenkt ihren Jugendlichen ein eigenes Festival und den Rahmen dazu, sie müssen dann aber alles von A bis Z in eigener Regie leisten. Das ist ein großer Erfolg, passiert aber nur einmal im Jahr! Wir haben angeboten, dass die Jugendlichen auch unter dem Jahr in unserem Musiksalon hier in der Villa Seeliger eigene kleine Unplugged-Konzerte durchführen können. Daneben wird es eine Dialogreihe geben, zu der wir besondere Persönlichkeiten aus dem Musikleben einladen. So holen wir die Stadt, aber auch unterschiedliche Genres ins Haus und öffnen es.
nmz: Gibt es Bezüge auch zum Kursprogramm?
Lüdke: Die finden sich über die Musikvermittlung. Denn es stellt sich ja die Frage, wer unser Publikum ist. Veranstalten wir einmal Kammermusik und das nächste Mal ein Singer-Songwriter-Konzert, so müssen wir mit völlig anderen Zuhörern rechnen. Unsere Idee ist es, das aufzubrechen und zu mischen. Etwa dadurch, dass wir den Künstlern, die wir einladen und die hier konzertieren, eine Aufgabe stellen – zum Beispiel einen bestimmten Song zu interpretieren.
nmz: Die Musikakademie ist sehr jung, aber in Steinwurfweite steht mit der Bundesakademie für Kulturelle Bildung eine ältere Akademie, die dieses Jahr 60-jähriges Bestehen feierte – gibt es da eine Kooperation oder haben beide Akademien gar nichts miteinander zu tun?
Lüdke: Es gibt eine Kooperationsvereinbarung, die noch auf die Zeit zurückgeht, in der ich selbst an der Bundesakademie tätig war. Ich sehe es als eine Verpflichtung unsererseits, hier vor Ort zusammenzuarbeiten. Dabei ist es natürlich wichtig, unsere Programme abzustimmen. Noch spannender finde ich jedoch die Frage: Was können wir in Wolfenbüttel gemeinsam bewegen, was keiner allein hinbekäme? Das ist das Ziel, das wir uns gemeinsam gesteckt haben. In das „wir“ beziehe ich neben der Bundesakademie noch den AMJ und die Geschäftsstelle des Landesmusikrats ein, die ebenfalls hier in Wolfenbüttel angesiedelt sind. Es geht darum, deutlich zu machen, dass wir hier über eine besondere Infrastruktur verfügen, die im Verbund auch besondere Vorhaben ermöglicht. In Ansätzen wird das vielleicht schon am Beispiel AMJ deutlich: Der Arbeitskreis Musik in der Jugend führt in Wolfenbüttel alle zwei Jahre den Eurotreff, eine internationale Kinder- und Jugendchor-Begegnung, durch.
nmz: Das geht wahrscheinlich nur, weil alle ihre Ressourcen miteinbringen: die Bundesakademie, die Landesmusikakademie, die Kreismusikschule und so weiter.
Lüdke: Genau. Aus der Schnittmenge all dessen, was uns gemeinsam bewegt und umtreibt, wollen wir neue Formate schmieden. Für mich wäre dies die beste Art zu zeigen, warum Wolfenbüttel ein guter Ort für Musik ist.