Ihr Image als Bassinstrument mit dem klischeehaften Grundtongeblubber scheint die Tuba nur schwer loswerden zu können. Obwohl es ein großes Repertoire an Solo-Kompositionen für Tuba gibt, wird dieses nur wenig gespielt. Tatsächlich könnten die Tubisten mit ihren modernen Instrumenten viel mehr leisten, als sie tatsächlich spielen. Im Endeffekt wird die Tuba vielleicht aber doch „nur“ das tragende und verantwortungsvolle Bassinstrument bleiben – und das ist überhaupt nicht schlimm!
Das Musikinstrument des Jahres 2024: Tuba – Teil 4: Orchestergraben – hin und zurück
Die Tuba gehört zu den Musikinstrumenten, die man – zunächst einmal rein optisch – als allgemein bekannt bezeichnen kann. Mit ihrem goldglänzenden nach oben gerichteten Schallbecher kann sie sich selbst im Orchester, wo sie in den hinteren Reihen sitzt, nicht verstecken. Unter den Orchesterinstrumenten gehört sie neben dem Kontrabass und der Harfe eindeutig zu den großen Instrumenten.
Akustisch – das haben wir bei der Militärmusik und dem Sinfonieorchester gesehen – kann und muss sie gelegentlich ein ziemlich lautes Instrument sein und kann sich gegen die Kraft des Orchesters durchaus durchsetzen. Ihr tiefer (Grund-)Ton ist tragend und voluminös – etwas wo sich die Harmonie des gesamten Orchesters getrost draufsetzen und darauf ruhen kann. Man könnte daher auf die Idee kommen, die Tuba als ein „machtvolles“, „kraftvolles“ und „lautes“ Instrument zu bezeichnen.
Jörgen Roggenkamp, der schleswig-holsteinische Botschafter für die Tuba als Instrument dieses Jahres, war Anfang des Jahres unter anderem dafür angetreten, das Klischee aufzusprengen, das der Tuba und ihren Spielern gnadenlos folgt: Dieses Klischee besagt, dass die Tuba nur die für den Orchestersatz notwendigen Grundtöne spielen könne, vielleicht einmal ein paar verbindende Töne – aber eben schon sehr behäbig und ein wenig einfallslos.
Sanfte Töne
Im Gespräch mit Roggenkamp soll es um solistische und kammermusikalische Musik für die Tuba gehen. Roggenkamp berichtet, dass es eine riesige [sic!] Menge an solcher Literatur gibt: Solokonzerte mit Orchester, unterschiedlichste und kreativ zusammengesetzte kammermusikalische Werke und auch Werke für Tuba solo. Kreativ zusammengesetzt? Nun, wer erwartet schon Musik für Harfe und Tuba? Sind die beiden nicht viel zu verschieden? Beide, so Roggenkamp, passen wunderbar zusammen und sind eigentlich „sanfte“ Instrumente – und schon ist ein Teil des Klischees perdu.
Am vergangenen Wochenende hat Roggenkamp mit dem Landesjugendsinfonieorchester Schleswig-Holstein das Tubakonzert von Ralph Vaughan Williams aus dem Jahr 1954 gespielt. Dieses, so sagt er, „ist das Standardtubakonzert, das wohl jeder Tubist gespielt hat. Gleichzeitig ist es eine Standardanforderung im Probespiel, wenn sich ein Tubist um eine Stelle in einem Orchester bewirbt“. Williams Komposition „The Lark Ascending“ für Violine und Orchester im Hinterkopf könnte man meinen, dass man auch im Tubakonzert die Lerche melodiös auffliegen und aufsteigen hören kann, die vermeintlich behäbige Tuba dem zarten Vogel also vollständig gerecht wird.
Zu den weiteren bekannten Solokonzerten mit Orchester gehören auch diejenigen von Edward Gregson (1976), Jörg Duda (2009) und John Williams (1985), der sonst hauptsächlich durch Filmmusiken (Der weiße Hai, Schindlers Liste, Star Wars) bekannt ist. Zu den ersten kammermusikalischen Werken zählt Paul Hindemiths Sonate für Baßtuba und Klavier aus dem Jahr 1955. Hindemith hatte bekanntlich eine Reihe von Stücken für Solo-Instrument und Klavier geschrieben, wollte eigentlich alle Instrumente „durchprobieren“, schauen, was man auf den Instrumenten machen kann, was man aus ihnen herausholen kann. Die Tuba-Sonate gehört auch zu den Stücken, die wohl jeder Tubist gespielt hat. Roggenkamp bezeichnet sie als „herausfordernd“ und „musikalisch schwer“. Sie ist aber klanglich auch ein wenig „sperrig“ – aber: „selbst wenn man nicht weiß, wo man sich harmonisch gerade befindet, rastet es ein und man weiß einfach vom Hören, dass es richtig ist“, sagt Roggenkamp.
Ungehobene Schätze
Wer intensiv recherchiert, wird viel Musik (besser: Noten) für Tuba finden. Gespielt wird von diesen Werken sehr, sehr wenig. Roggenkamp gibt zu bedenken, dass die Tuba noch ein sehr junges Instrument ist undsich auch das spielerische Niveau der Tubisten erst seit der Ausbildung der Tubisten an Hochschulen deutlich erhöht hat. Auch gibt es nur eine knappe Handvoll Tubisten, die wirklich dezidiert als Solisten auftreten (etwa Andreas Martin Hofmeir, Jens Bjørn-Larsen oder Øystein Baadsvik).
Roggenkamp kommt zu einem fast ernüchternden Fazit, was die Solo-Literatur für Tuba angeht: „Der Solo-Aspekt ist nur ein Vehikel, das wir gerade in diesem Jahr der Tuba besonders ausgeprägt verwenden, um unser Instrument an den Mann zu bringen.“ Immerhin weiß er, der sich im Orchestergraben sehr wohl fühlt und dort nach seiner Botschafter-Tätigkeit auch wieder „verschwinden“ will, mit dem Vehikel umzugehen – Solo ist für ihn kein Problem, was er bei seiner Konzertzugabe mit einem Tango für Tuba solo der kanadischen Komponistin Elizabeth Raum unter Beweis stellte. Eine ausgesprochen bewegliche und rhythmische Komposition, die den klanglichen Raum der Tuba voll ausschöpfte und das Publikum schwer begeisterte.
Charakterzug
Schon zu Beginn dieses Jahres hatte Botschafter Roggenkamp die Tubisten mit einem augenzwinkernden Satz zu charakterisieren versucht: „Dies steht allerdings im deutlichen Gegensatz zu den entspannten und freundlichen Tubist*innen, die ihnen in den meisten Orchestern begegnen werden.“ Im Interview setzt er – durchaus in dem Bewusstsein, dass vielleicht jeder Musiker und sein Instrument eine sehr persönliche charakteristische Ähnlichkeit aufweisen – noch einen drauf: „Die Tuba ist nicht nur ein Instrument. Sie steht für einen Charakterzug, eine Lebenseinstellung. Wir Tubisten sind entspannte Menschen, wir müssen nicht im Mittelpunkt stehen. Wir sind im Orchester diejenigen, die mal von hinten schieben, mal von unten tragen. Das ist eine verantwortungsvolle – harmonische und rhythmische – Aufgabe, auf die sich das ganze Orchester verlassen können muss. Dazu braucht man Ruhe und eine gewisse Gelassenheit.“
Fazit: Es gibt solistische Literatur für die Tuba – und sie ist schön und hörenswert. Vielleicht wird man von dieser wunderbaren Musik in der Zukunft mehr hören können, wenn es gelingt, die Tubisten aus dem Graben hervorzulocken und ihnen als Solisten mehr Raum gibt. Das ist eine der wichtigen Aufgaben und Intentionen der Aktion „Instrument des Jahres“. Wenn die Tubisten denn auf der Bühne stehen – wie Roggenkamp beim Williams-Konzert – dann geschieht auch der erwünschte Erfolg und es kommt nach dem Konzert ein kleiner Jugend und fragt, ob er denn bei Roggenkamp auch Tuba-Unterricht bekommen könnte. [Ja, natürlich – kann er!] Aber der Weg aus dem Orchestergraben ist weit, denn zusammenfassend sagt Roggenkamp: „Ich feiere mein Instrument als Bass-Instrument“ – und es besteht (leider!) kein Zweifel daran, dass er damit seine Position im Orchester meint.
Klänge:
- Paul Hindemith: Sonate für Baßtuba und Klavier (1955)
- Ralph Vaughan Williams: Concerto for Bass Tuba and Orchestra (1954)
- Willi März: Divertimento for Tuba, Harp and Orchestra
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