Wenn jetzt die Weichen für die Zukunft an Dresdens Musikhochschule neu gestellt werden, berührt das auch die Osterfestspiele Salzburg. Oder verhält es sich eher umgekehrt? Personalroulette zwischen Dresden, Salzburg, Baden-Baden und München.
In Vatikanstadt weht alle paar Jahre mal schwarzer und mal weißer Rauch über die historischen Dächer. Dann weiß alle Welt, ob der winzige Stadtstaat ein neues Oberhaupt gekürt hat. Wenn ja, ist es in jedem Fall männlich und reichlich betagt.
Ganz so öffentlich verfährt Dresdens Musikhochschule nicht, wenn es um das höchste Amt dieser Bildungseinrichtung geht. Da muss schon ein bisschen mehr Geheimniskrämerei herhalten. Zumal die bisherige Rektorin, so die inzwischen wohl einhellige Meinung, den Posten nicht erst mit ihrem plötzlichen Rücktritt („Ich, Judith Schinker, habe heute meinen Rücktritt […] erklärt und zugleich mit sofortiger Wirkung die Amtsgeschäfte niedergelegt“), auch nicht mit ihrer zwischenzeitlichen Bewerbung als Dezernentin für Kultur, Tourismus, Stadtmarketing, Sicherheit und Ordnung in Trier, sondern bereits mit ihrem Amtsantritt 2015 beschädigt zu haben. Die Fußstapfen ihres Vorgängers Ekkehard Klemm (der sie einst als Prorektorin ans Haus geholt hatte) erwiesen sich wohl als eindeutig zu groß. Was sicherlich auch für den ihr angehängten Ruf als „Königsmörderin“ gelten dürfte.
Musikhochschule Dresden
Der Hochschule muss attestiert werden, dass der Lehrbetrieb auch während solcher Dissonanzen aufrecht erhalten wurde und ein durchaus auch prominent besetzter Lehrkörper sein Bestes getan hat, dem guten Ruf dieser traditionsreichen Institution gerecht zu werden. Umso erstaunlicher ist das geradezu geheimnisvolle Gebaren um die Frage, wie die Weichen für die Zukunft gestellt werden sollen. Auf die Frage etwa, welche Verluste eine solche – für die meisten Beteiligten gewiss unerwartete – Übergangszeit mit sich bringt und wie der Start ins aktuelle Semester gelungen ist, gibt es die ziemlich inhaltsfreie Antwort, die Hochschule lebe von ihren Lehrenden und Studierenden und sei außerdem geprägt von einer Vielzahl künstlerischer und pädagogischer Veranstaltungen und Projekte. All dies habe in bewährter Qualität organisiert und ohne Beeinträchtigungen umgesetzt werden können. Das gelte auch für den Start ins aktuelle Semester. Alle Beteiligten in Lehre und Verwaltung hätten dafür ihr Möglichstes getan.
Wer nun freilich nachfragt, welche Lehren aus der jüngeren Vergangenheit gezogen werden konnten, solle sich hiermit zufriedengeben: „Personalwechsel an der Spitze von Institutionen sind nicht un- oder außergewöhnlich, sie kommen aber dennoch nicht aller Tage vor. Gelernt haben alle Beteiligten sicher, mit solchen Situationen angemessen umzugehen.“ Was ein angemessener Umgang „mit solchen Situationen“ bedeutet, erfahren wir nicht, weder von der amtierenden Rektorin Rebekka Frömling noch von der kommissarischen Kanzlerin Eileen Mägel.
Am 13. November sollen sich die im Bewerbungsverfahren von Senat und Erweitertem Senat gekürten Persönlichkeiten nun hochschulintern vorstellen. Zum anschließenden Prozedere lässt die Hochschulleitung verlautbaren: „Nach der Anhörung wird der neue Rektor am 3. Dezember vom „Erweiterten Senat“ gewählt. Der Zeitpunkt des tatsächlichen Amtsantrittes ist dann vom neuen Rektor selbst abhängig.“
Dass es ein Rektor und keine Rektorin sein wird, steht seit wenigen Tagen fest. Ende vergangener Woche hat nämlich Sarah Wedl-Wilson ihre Bewerbung zurückgezogen und damit das Feld dem aktuell an der Staatsoperette Dresden als Sänger und Regisseur tätigen Axel Köhler, von 2009 bis 2016 Intendant der Oper Halle, sowie dem an der an der Musikhochschule Münster wirkenden Komponisten und Improvisationskünstler Stephan Froleyks, der von Haus aus Schlagzeuger ist, überlassen. Was nun die aus London stammende Sarah Wedl-Wilson, die seit 2014 als Vizerektorin für Außenbeziehung am Salzburger Mozarteum tätig ist, zur Rücknahme ihrer Dresdner Bewerbung bewogen haben könnte, ist offen.
Osterfestspiele Salzburg
Möglicherweise hängt das mit einer weiteren Personalie zusammen, die ebenfalls von Salzburg nach Dresden führt. Denn Komponist Peter Ruzicka, seit 2015 Intendant der Osterfestspiele Salzburg, will dieses Amt über die vereinbarte Laufzeit hinaus nicht fortführen. Nikolaus Bachler, derzeit Intendant der Bayerischen Staatsoper München, soll ab Juli 2020 dessen Nachfolge antreten. Ob er, wie in manchen Medien gemunkelt wird, Kyrill Petrenko nach Salzburg locken und damit auch die Berliner Philharmoniker zurückholen wird, ist zumindest eine interessante These. Dass Christian Thielemann und die Sächsische Staatskapelle dann – quasi eine Rochade – nach Baden-Baden wechseln könnten, schließt sich ihr an. Grund genug für Wedl-Wilson, dem Aufsichtsratsposten der Osterfestspiele gegenüber einem Rektorat in Dresden den Vorzug zu geben.
Zumal die Thematik im Elbtal wesentlich engstirniger gehandhabt wird. Wer nach den vordringlichen Aufgaben des künftigen Rektors fragt, erhält die keineswegs salomonische Antwort: „Das Ergebnis der Wahl wird im Anschluss an diese bekanntgegeben. Der neue Rektor wird seine Prioritäten entsprechend ausrichten.“ Wer hätte dies für möglich gehalten!
Angesichts der Salzburger Entwicklungen schmilzt die Dresdner Personalie zu einer geradezu nichtigen Posse. Schon wird aus Korrespondenzen von Thielemann an Wedl-Wilson zitiert: „Mit Herrn Bachler wird es nichts. Wenn die Politiker ihn wollen, muss ich gehen.“ Deutlicher noch: „Ich habe NIE gesagt, ich könne mir eine Zusammenarbeit mit Herrn Bachler vorstellen.“ [Quelle: Salzburger Nachrichten]
„Er oder ich“ an der Salzach
Klingt ganz nach einem „Er oder ich“ an der Salzach. Im Elbtal wird daraus ein „Der oder der“. Ob Kanzlerin und amtierende Rektorin nach dieser hoffentlich bald beendeten Übergangszeit nun „aufatmen“ und sich wieder verstärkt ihren eigentlichen Aufgaben zuwenden können, scheint für beide Damen kein Thema zu sein: „Vorrangig ist, dass die Stabilität in der Leitungsebene wiederhergestellt wird und die Hochschule sich weiter ihrer Hauptaufgabe widmet – hochqualifizierte junge Musikerinnen und Musiker, Musikpädagoginnen und Musikpädagogen auszubilden und auf ihrem Weg zur Professionalisierung bestmöglich zu begleiten und zu unterstützen.“ Somit sei durch die jüngsten Entwicklungen an der Musikhochschule deren Ruf auch kaum beschädigt worden: „Die Zahl der Studienbewerberinnen und Bewerber lässt einen solchen Rückschluss nicht zu. Wir wollen als Kunsthochschule in dieser Stadt wahrgenommen werden und durch künstlerische, pädagogische und wissenschaftliche Exzellenz auf uns aufmerksam machen.“
Der Vatikan wird davon ungerührt bleiben, ob sich nun graue Rauchschwaden von Elbe und Salzach vermischen. Die bestehende Städtepartnerschaft von Dresden und Salzburg könnte das aber schon interessieren.