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Fördersysteme führen zum Regionalismus

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Zum 5. deutsch-französischen Musikgespräch von GEMA und SACEM in Dresden
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Der Schlußbeitrag kam von Main Surrans, ehemaliger Direktor des Orchestre Philharmonique in Lyon und nun zum Leiter der Musikabteilung des französischen Kultusministeriums ernannt. Was er aus Lyon berichtete, ließ die Expertenrunde im Dresdener Taschenbergpalais trotz vorgerückter Stunde aufhorchen.In den Konzertsaisons 1997–1999 wird der junge französische Komponist Pascal Dusapin häufiger gespielt als Mozart. Nicht weniger als 15 Orchesterwerke, das heißt praktisch das Gesamtwerk des Komponisten, wurden aufgeführt, und das ohne sinkende Publikumszahlen. Dusapin ist aber beileibe nicht der erste Komponist, der öfter als die Klassiker gespielt wird, sondern er ist der sechste composer in residence in Lyon. Es funktioniert eben doch, das traditionelle Abo-Publikum und die Neue Musik zusammenzubringen. Ist Lyon eine Insel der Seligen? Oder hat man in Frankreich endlich das Patentrezept gefunden, mit dem es gelingt, dank staatlicher Kulturförderung wieder frisches Blut in die verkalkten Adern des klassischen Konzertbetriebs zu schleusen? Das französische Kulturministerium vergibt nicht weniger als 100 bis 150 Kompositionsaufträge pro Jahr. Die Neue Musik in Frankreich boomt. Vielleicht sollte sich der designierte erste deutsche Kulturminister Naumann mit seinen französischen Kollegen zusammensetzen. Für eine neue Dynamik in der Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland auf kulturellem Gebiet waren die Voraussetzungen noch nie so günstig wie jetzt. GEMA und SACEM haben hier in den letzten fünf Jahren schon eine substantielle Vorarbeit geleistet. Es ist einer Initiative Olivier Bernards zu verdanken, daß eine französisch-deutsche Expertenrunde von Komponisten und Kulturmanagern sich jährlich einmal zusammenfindet, um über Fragen des Kulturaustauschs zwischen beiden Ländern zu beraten. Olivier Bernard, Leiter der Kulturabteilung der SACEM, fand in Michael Karbaum, Direktor des Geschäftsbereiches Verteilung der GEMA, einen engagierten Partner, dem die gemeinsame Verantwortung der beiden größten europäischen Verwertungsgesellschaften für die Konstruktion eines gemeinsamen europäischen Hauses der Kultur sehr am Herzen liegt. Ausgangspunkt dieser Idee war eigentlich eher ein negativer Befund: Olivier Bernard war sehr besorgt über ein Phänomen, das dem Anspruch eines regen deutsch-französischen Kulturaustauschs widerspricht. Die Zahl der Aufführungen französischer Komponisten in Deutsch-land sinkt nämlich. Dasselbe gilt für Aufführungen deutscher Komponisten in Frankreich. Das letzte deutsch-französische Musikgespräch, zu dem die SACEM in Marseille eingeladen hatte, machte sich zur Aufgabe, diese Tendenz zu analysieren, und kam zu der überraschenden Schlußfolgerung, daß es insbesondere das in beiden Ländern überaus entwickelte staatliche Förderungssystem neuer Musik ist, das den Aktionsradius der meisten Komponisten auf ihr Heimatland einschränkte. Der deutsche Musikrat fördert vornehmlich Aufführungen junger deutscher Komponisten in Deutschland, und die Förderungsprogramme des französischen Kulturministeriums sind insbesondere darauf ausgerichtet, die Kultur in der französischen Provinz, den „Regionen“ zu fördern. Folglich ist die Neue Musik seit den 80er Jahren in Europa provinzieller geworden. Komponisten, die ihren Durchbruch noch in den 50er Jahren gemacht haben wie Ligeti, Boulez, Kagel oder Stockhausen, werden weltweit gespielt. Die nächste Generation kommt dagegen nur schwer über die Grenzen des eigenen Landes hinaus. Die in Deutschland äußerst erfolgreichen Komponisten Wolfgang Riehm oder Manfred Trojahn werden in Frankreich selten gespielt, und das gleiche gilt für französische Komponisten wie Nicolas Bacri oder Henry Fourès, deren Name nur wenigen in Deutschland bekannt sind. SACEM und GEMA haben deshalb ein deutsch-französisches Förderprogramm aufgelegt mit dem Ziel, Aufführungen französischer Komponisten in Deutschland und deutscher Komponisten in Frankreich zu fördern. So beriet auch in diesem Jahr in Dresden eine gemischte achtköpfige deutsch-französische Fachkommission über die Verteilung der Fördergelder, die zu je 50 Prozent von der GEMA und der SACEM gestiftet werden. Die Initiative von Karbaum, das 5. deutsch-französische Musikgepräch in Dresden stattfinden zu lassen, war eine gute Wahl, die von der französischen Delegation einhellig begrüßt wurde. Die dank Aufbau Ost hervorragende Dresdener Gastronomie trug ihren Teil zum Gelingen dieses Treffens bei. Das Thema dieses Jahr war: Marketing Neuer Musik. Karbaum erläuterte die Themenwahl mit den Worten: „Zeitgenössische Musik ist das unbekannte Produkt. Wie kann man es bekannt machen?“ Wilfried Krätzschmar, Präsident der Dresdener Musikhochschule, antwortete darauf, daß zeitgenössische Musik eine Musik der „happy few“ sei und auch sein wolle und deshalb ungeeignet für PR- Strategien. Auch der französische Komponist Gilbert Amy, Leiter des Konservatoriums in Lyon, meinte, daß mit dem militanten Kampfgeist der Darmstädter Schule der 50er Jahre mehr für die Durchsetzung Neuer Musik erreicht worden sei, als es moderne Marketingmethoden vermöchten, denn letztendlich handele es sich um eine Kraftprobe mit dem Publikum. Manfred Trojahn lobte das zentralistische französische Förderungssystem. In Deutschland würde zu sehr nach dem Gießkannenprinzip gearbeitet, und man stünde unter ständigem Konsenszwang. In Frankreich hingegen würde Innovation von oben durchgesetzt. Bei den Ausführungen von Mark Ernesti, dem jungen PR-Chef vom Dresdener Zentrum für zeitgenössische Musik, konnte man jedoch den Eindruck gewinnen, daß die Kraftprobe zwischen Komponist und Publikum damit enden kann, daß die Säle leer bleiben . Ernesti berichtet, daß seit der Wende der Publikumsbesuch der Dresdener Tage für zeitgenössische Musik rückläufig sei. Traditionelle Marketing-Methoden über flächendeckende Plakatierung, Werbespots et cetera könnten daran auch nichts ändern. Da stellte Olivier Bernard die Frage, ob Neue Musik und Marketing nicht grundsätzlich inkompatibel seien. Wo gäbe es überhaupt erfolgreiche Konzepte bei der Vermarktung Neuer Musik? Dies konnte Martina von Brüning, PR-Chefin des Schott-Verlages, auch nicht beantworten. Ihr Plädoyer lautet, die Komponisten müßten raus aus dem warmen Nest ihrer Komponierstuben, an die Basis, sprich an die Öffentlichkeit herantreten. Erst gegen Ende des sechsstündigen Gesprächs kamen optimistische Beiträge aus Bayern. Ulrike Hessler, PR-Chefin von der Bayerischen Staatsoper München, belebte die Gesprächsrunde mit schnittigen Thesen zum Thema Marketing und Neue Musik: „Berührungsängste mit dem Markt können wir uns nicht mehr leisten“ – „Ohne Wettbewerb kann keine Kreativität oder Effizienz entstehen“ – „Subventionen sind Investionen in die Zukunft“ und „Qualität bedeutet neben Professionalität auch Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz beim Publikum“. Dann erläuterte Frau Hessler anhand des Marketings von Hans Jürgen von Boses Oper „Schlachthof 5“, wie’s funk-tioniert: „Natürliche Erwartung aufs Neue beim Publikum stimulieren“ und „Eine Auseinandersetzung von Neuem mit der Tradition führen“. Frau Christiane Zentgraf, PR-Chefin von BMW, zeigte sodann auf, wie gut man sich als Unternehmen mit Neuer Musik schmücken könne. Die „public private partnership“ macht’s möglich wie in der Zusammenarbeit mit der Münchener Biennale. Da ist man aber wieder ausgestiegen. BMW gehöre zu den „global players“ und Neue Musik würde nicht überall verstanden, meint Frau Zentgraf. BMW hat sich deshalb entschieden, neben der Neuen Musik auch den Jazz zu fördern. Das sei eine globale Musiksprache, die von Japan über Europa bis in die USA verstanden würde. Das deutsch-französische Musikgespräch wird im nächsten Jahr fortgesetzt. Die Diskussion über die Themenwahl ist noch nicht abgeschlossen, aber eins ist schon jetzt klar: Das Treffen wird in Lyon stattfinden.

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