Früher hat man bei seinen Eltern oder Freunden angefragt, wenn man Geld zur Verwirklichung eines Traumes benötigte. Notfalls ging man einer Brotarbeit nach. Denn die Kunst ist brotlos, wenn man nicht zu den wenigen gehört, die den Karrieresprung nach ganz oben geschafft haben. In einer Geschichte aus den 60er-Jahren zählte der Komponist Karlheinz Stockhausen auf, dass fast alle seiner Kollegen nicht von ihrer künstlerischen Arbeit leben konnten, sondern sich anderweitig finanzierten. Darunter bekannte Namen wie Cage, Feldman, Berio, Ligeti et cetera.
Von Auftrittsgagen können viele Bands nicht einmal die Selbstkosten decken. Wer in Kunst machen will, muss entweder in die staatlich wie auch immer unterstützten Institutionen wie Theater, Rundfunk und die vielen Förderprojekte in Kommunen und Ländern gehen, oder sich Sponsoren oder Mäzene suchen. Den Rest erledigen Verwandte oder Freunde.
Mit Crowdfunding wird das anders. Hier hat man die Möglichkeit auch eine anonyme Masse anzusprechen, die man für sein Projekt gewinnen möchte. Am Ende sind alle glücklich: der Projektbetreiber kann sein Projekt realisieren, der Spender bekommt eine gewisse Gegenleistung und ist auch moralisch auf der sicheren Seite. Zusätzlich hat die Welt möglicherweise ein neues Kunstwerk oder anderes Produkt in ihrem Archiv. Dinge, die zuvor unmöglich schienen, sind jetzt realisierbar. Die Sache hat nur ein paar Haken. Das Publikum ist der eine davon: Man muss ja Menschen gewinnen, sich finanziell zu engagieren und damit seine Sache gut verkaufen können. Ein Games-Software-Entwickler in den USA hat auf diese Weise per Crowdfunding tatsächlich um die 10 Millionen Euro einwerben können. Der Bedarf und das Interesse ist in diesem Fall vorhanden und das Engagement der potentiellen Nutzer ebenso – das Tauschgeschäft scheint attraktiv.
Im engeren Kunstbereich sieht das häufig anders aus. Da scheitert man bei den über Internetplattformen abgewickelten Projekten schon gerne an der Technikhürde. Man muss Accounts anlegen und später auch noch Finanztransaktionen tätigen, wo für manchen einfach ein Klingelbeutel genug wäre. Im netzfernen Kulturbereich gibt es diese Form übrigens immer noch: Da kann man die Bestuhlung in Konzerthäusern sponsern, darf mit Musikern zum Essen ausgehen. Das „ensemble resonanz“ hat 2004 sogar Musiker für 400 Euro verkaufen wollen. Im Prinzip ist ja selbst die Eintrittskarte zum Konzert nichts anderes als Crowdfunding.
Crowdfundingprojekte können übrigens auch scheitern! Dann, wenn sie nicht genügend finanzielle Unterstützung erhalten. Das ist letztlich das einzige Kriterium. An sich ist es ein schöner Gedanke, Werk und Publikum aneinander zu binden und künstliche Subventionen Stück für Stück abzubauen. Doch die Resultate für moderne Kulturen, die sich darauf ganz verlassen, sieht man in den USA: Künstlerische Verelendung auf der einen Seite und eine problematische Beziehung zwischen Sponsoren, Mäzenaten und den Kulturprojekten im kulturellen Leuchtturmbereich auf der anderen Seite.
Eine andere Gefahr droht prinzipiell und geht von der öffentlichen Hand aus. Diese könnte sich künftig noch weiter von der Kulturfinanzierung zurückziehen und darauf verweisen, dass man seine Sache über Crowdfunding bewerkstelligen soll. Schafft man es nicht auf diese Weise, ist die gesellschaftliche Irrelevanz automatisch erwiesen.
Klappern gehört damit zum Handwerk. Nur wer auch laut und gut sein Produkt anpreist oder sowieso auf eine zahlungsfreudige Gemeinschaft setzen kann, hat wirklich eine Chance (siehe Game-Finanzierung). Ebenso können beispielsweise Hochschulen in ihrer Ausbildung die Leistungen zurückfahren und genuine Ausbildungsziele ins Crowdfunding auslagern. Auf dem Crowdfundingmarkt stehen schließlich die Projekte zudem noch in gegenseitiger Konkurrenz. Will man das eine Projekt unterstützen oder das andere, oder beide? Wo sind die Grenzen der Zahlungsbereitschaft und wann setzt die Zahlungsmüdigkeit ein?
Es gibt Kunst- und Kulturprojekte, die einfach nicht in diese Form von Vermarktungszusammenhängen passen, die gleichwohl aber auch nicht durch das Risiko eines Kapitalgebers, wie zum Beispiel eines Verlegers, der neben Bestsellern auch Ladenhüter druckt, auf immer und ewig gedeckt werden können.
Kulturelle Impulse, da muss man sich nichts vormachen, bleiben nach wie vor grundsätzlich im Risikobereich der Künstler.