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Nur Entertainment boomt: Lieber bespaßen lassen als selbst musizieren

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Frankfurt/Main - Der Mann mit der Gitarre schwebt an die zehn Meter über dem Boden. Ein Windkanal hebt ihn mit 180 Stundenkilometern in die Höhe. Das Instrument ist nur Show: Die Firma Gibson hat den «AirDome» zur Musikmesse eingeladen, um Werbung für ihre Gitarren zu machen. Die spektakuläre Inszenierung ist symptomatisch für die Lage der Musikbranche, die sich von diesem Mittwoch (15.4.) an bis Samstag in Frankfurt trifft: Musikmachen darbt, Entertainment boomt.

Zwar geben die Deutschen wieder etwas mehr Geld für Musikinstrumente aus - fast eine Milliarde Euro waren es 2014, fünf Prozent mehr als 2013. Aber die Kunden bestellten lieber billig im Internet, als sich im Fachgeschäft beraten zu lassen, beschwerte sich der Gesamtverband deutscher Musikfachgeschäfte am Dienstag in Frankfurt.

Gekauft werden vor allem elektronische Instrumente, weiß der Dachverband Musikwirtschaft: E-Gitarren und D-Pianos. Verlierer sind alle großen Instrumente wie Schlagzeug, Orgel, Akkordeon. Bei den Preisen geht ganz billig oder ganz teuer, «aber das Mittelsegment hat ein Problem», sagt Wolfgang Lücke, der Objektleiter der Musikmesse.

Das obere Ende der Skala ist in Halle 4 zu bestaunen: die angeblich teuerste Gitarre der Welt. Bestehend aus rund eineinhalb Kilo Weißgold und besetzt mit Hunderten Diamaten ist die «Eden of Coronet» zwei Millionen Dollar (rund 1,9 Millionen Euro) wert. Auch sie ist ein reines Showobjekt, das Meisterstück eines chinesischen Juweliers, auf dem noch nie jemand gespielt hat.

Dabei kann man schon für 100 Euro eine Gitarre kriegen, die okay ist, um damit Unterricht zu nehmen - nur tun das immer weniger. Ein Instrument zu lernen, ist in vielen Familien nicht mehr so wichtig, in der Schule wird das Fach stiefmütterlich behandelt. «Der Rückgang des aktiven Musizierens ist für die Branche eine Herausforderung», sagt Messe-Geschäftsführer Detlef Braun.

Ob die Stargäste der Messe Lust aufs Musikmachen wecken? Am Donnerstag stellt Pianist Lang Lang seine neue Klavierschule vor, am Freitag darf Black-Sabbath-Gitarrist Tony Iommi vielleicht die «Eden of Coronet» einweihen. Am Wochenende wird die beste Schülerband Deutschlands gesucht, und in der Mitmachhalle Music4Kids dürfen Knirpse nach Herzenslust Krach machen.

«Während es bei Musikinstrumenten Licht und Schatten gibt, gibt es bei der Veranstaltungsbranche nur eine Richtung: steil nach oben», sagt Braun. Vor 20 Jahren hat die Musikmesse eine kleine Schwester bekommen, die sich um diese Aussteller kümmert, die prolight+sound. Langsam schickt sie sich an, das Flaggschiff zu überholen: 1329 Aussteller aus 51 Ländern zählt die Musikmesse in Frankfurt, 928 Aussteller aus 41 Ländern die prolight+sound. Weltweit kamen zuletzt 150 000 Besucher zur Instrumentenschau in Frankfurt sowie zu den jeweiligen Partnermessen in Russland und China, 140 000 zu den Technikmessen. In Frankfurt waren es bei der Musikmesse zuletzt rund 65.400 Besucher und bei der prolight+sound 42.300.

Das Publikum giert nach immer spektakuläreren Shows, und die Hersteller bedienen den Hunger gern mit technischen Innovationen. In drei Messehallen zeigen sie riesige Boxenwände, gebogene LED-Screens, bewegliche Lichtinstallationen und den angeblich größten Lautsprecher der Welt. «Veranstaltungstechnik ist zu einem milliardenschweren Markt geworden», sagte Helge Leinemann vom Verband für Medien- und Veranstaltungstechnik.

Die Schnittstelle zwischen großer Show und passioniertem Musikmachen finden Messebesucher in der Fotoausstellung «In the Eye of Rock'n'Roll Hurricane». Der Fotograf Neal Preston hat fast fünf Jahrzehnte lang Legenden der Rockgeschichte begleitetet und sie auf und hinter der Bühne fotografiert. «Es ist so wichtig, dass Kinder mit Instrumenten in Kontakt kommen», findet er. «Viele wissen nicht, dass sie sich für ein Instrument interessieren, bevor sie eines in der Hand halten.»