Hauptrubrik
Banner Full-Size

Revolutionär Wagner - Kuba inszeniert den «Fliegenden Holländer»

Autor
Publikationsdatum
Body

Havanna - Oper auf Deutsch, von einheimischen Sängern gesungen - so etwas gab es in Kuba noch nie. Deutsche Wagner-Fans bringen ein Frühwerk des berühmten Komponisten in die Karibik, und zwar das Stück, das dieses Jahr auch die Bayreuther Festspiele eröffnete: Der kubanische «Fliegende Holländer» feiert an diesem Freitag (15.11.) Premiere in Havanna.

 

Eine perfekte Inszenierung wird nicht erwartet, wohl aber eine, die Kubas Wirklichkeit gerecht wird - Kunst im Zentrum der Gesellschaft erhoffen sich die Organisatoren. Die Grundidee sei durch einen Kontakt zwischen dem Richard-Wagner-Verband München und dem Teatro Lírico in Havanna entstanden, erzählt der deutsche Regisseur Andreas Baesler. Der Vorsitzende des Verbands hatte vor zwei Jahren Kuba besucht. Die Wagner-Aufführung an drei Tagen im Teatro Nacional de Cuba ist nun der Höhepunkt eines Projektes, bei dem auch ein Wagner-Ortsverband gegründet wird.

Baesler hat monatelang auf die Premiere in Havanna hingearbeitet - eine besondere Herausforderung, findet der freischaffende, aus dem Ruhrgebiet stammende Regisseur. Für die Oper haben die Sänger den Originaltext auswendig lernen müssen. «Wagner in einer anderen Sprache zu singen, ist etwas sehr Heikles», erklärt Baesler.

Die Kubaner seien aber sehr spielbegabt. Auch verfüge die sozialistische Karibikinsel über ein hervorragendes künstlerisches Ausbildungssystem. Auf der anderen Seite machten die organisatorischen Missstände und die Dauerwirtschaftskrise vieles unkontrollierbar. Sänger, die nicht zu den Proben erscheinen, unauffindbare Theaterutensilien - das Projekt habe oft auf der Kippe gestanden. «Wir segeln eigentlich bei dieser Produktion permanent an dieser Kante», sagt Baesler kurz vor der Premiere.

Für Theatermacher könne dies aber auch ein Segen sein. Anders als bei den kostenaufwendigen Produktionen des europäischen Musiktheaters sei man in Kuba gezwungen, sich auf das Wesentliche des Handwerks zu konzentrieren, glaubt der Regisseur, der unter anderem in München und Nürnberg gearbeitet hat.

Laut und schrill soll es im Übrigen in der Oper zugehen, so wie eben das kubanische Verhältnis zur Kunst sei, sagt der 53-jährige Regisseur. Den Chor bilden rund 40 einheimische Sänger. Nur für die Rolle des Holländers wurde der Ukrainer Andrej Maslakow engagiert.

Erwartet werde keine perfekte Inszenierung, sagt der Vorsitzende des Münchner Richard-Wagner-Verbandes, Karl Russwurm. Für die Feierlichkeiten reist er mit einem internationalen Tross von 60 Gästen an. Man wolle vielmehr eine «Holländer»-Variante sehen, «die auch Fragestellungen des heutigen Kubas nicht ausspart», sagt er.

Die romantischen Motive von Erlösung und Heimat würden in der kubanischen Aufführung sicherlich andere Fragen aufwerfen, glaubt Regisseur Baesler. Denn es gebe viele «herumirrende», heimatlose Kubaner. Das gelte für diejenigen, die jahrelang nicht ausreisen durften, genauso wie für die zahlreichen Exilanten.

Eine politische Aufführung sei die Oper aber nicht. Vielmehr gehe es darum, Gedankenräume für das Publikum zu öffnen. Das sei schließlich Wagners Vision des Künstlers und seiner Funktion in der Gesellschaft gewesen, erklärt Russwurm. Der Komponist war ein «steckbrieflich gesuchter Revolutionär», sagt der Münchner Wagnerianer.

Isaac Risco

 

Ort
Autor
Musikgenre