Vier Tage nach der Premiere hat die Düsseldorfer Rheinoper reagiert. Im Publikum hatte die Inszenierung des „Tannhäuser“ heftige Reaktionen ausgelöst – auch körperliche. Der Regisseur spricht von einer Art Zensur.
Düsseldorf (dpa) - Die Rheinoper in Düsseldorf hat die umstrittene «Tannhäuser»-Inszenierung mit drastischen Nazi- und Holocaust-Szenen nach massiven Protesten praktisch abgesetzt. Die Wagner-Oper werde nur noch als Konzert aufgeführt, kündigte die Oper an. Die Abänderung einzelner Szenen habe Regisseur Burkhard C. Kosminski «aus künstlerischen Gründen» abgelehnt. Am Donnerstag sollte es die erste konzertante Aufführung geben. Kosminski zeigt sich unterdessen schockiert und sprach im «Mannheimer Morgen» von einer Art Zensur. Die jüdische Gemeinde und Kulturpolitiker äußerten Verständnis für die Entscheidung.
Die Opern-Leitung sei sich im Vorfeld darüber im Klaren gewesen, dass das Konzept und die szenische Umsetzung des «Tannhäuser» kontrovers aufgenommen würden, hieß es in einer Mitteilung am Mittwoch. «Mit allergrößter Betroffenheit reagieren wir jedoch darauf, dass einige Szenen, insbesondere die sehr realistisch dargestellte Erschießungsszene, für zahlreiche Besucher sowohl psychisch als auch physisch zu einer offenbar so starken Belastung geführt haben, dass diese Besucher sich im Anschluss in ärztliche Behandlung begeben mussten.» Eine so extreme Wirkung könne die Oper nicht verantworten.
Kosminski sagte dem «Mannheimer Morgen» (Freitag): «Ich bin vollkommen geschockt - vor allen Dingen über die Begründung. Es kann doch nicht sein, dass diese Art von Zensur stattfindet.» Er habe beim Intendanten der Düsseldorfer Oper, Christoph Meyer, den Wunsch geäußert, «in eine sachliche Diskussion einzusteigen und dadurch die in beide Richtungen aufgebrachten Gemüter zu beruhigen». Der Vorschlag sei nicht gehört worden.
Er wolle klarstellen, «dass ich in keinem Moment die furchtbaren Verbrechen des Nationalsozialismus als Selbstzweck oder billiges Mittel, einen Skandal zu provozieren, benutzt habe. Ich will nicht die Opfer verhöhnen. Ich will die Opfer beklagen. Das Kernthema sind Schuld und Erlösung.» Allen Beteiligten sei klar gewesen, dass diese Inszenierung eine Kontroverse auslösen würde. «Mit einem Skandal hat keiner gerechnet», sagte der Regisseur.
In einer ersten Reaktion zeigte die jüdische Gemeinde am Donnerstag Verständnis für die Entscheidung der Rheinoper. «Es besteht die Gefahr, dass das Leid der Opfer durch eine inflationäre Verwendung von NS-Symbolik bagatellisiert wird. Da muss man sehr sensibel sein», sagte der Vorsitzende der jüdischen Gemeinden von Nordrhein, Oded Horowitz, am Donnerstag. Er betonte jedoch, die Gemeinde wolle sich grundsätzlich nicht in künstlerische Belange einmischen. Die jüdische Gemeinde Düsseldorf hatte das Stück «geschmacklos» genannt, allerdings keine Absetzung der Wagner-Oper gefordert.
Vertreter der Düsseldorfer Kulturpolitik äußerten ebenso Verständnis. Der Zeitung «Rheinische Post» (Donnerstag) sagte Düsseldorfs Kulturdezernent Hans-Georg Lohe (CDU), er respektiere die Entscheidung: «Die Verantwortlichen werden das sehr genau abgewogen haben.» Der Vorsitzende des Düsseldorfer Schauspiel-Freundeskreises, Hans-Michael Strahl, der selbst den Premierenabend besucht hatte, sagte der Zeitung, es sei schade, dass Opernbesucher sich nun keine eigene Meinung mehr über das Stück bilden könnten. Es sei aber letztlich Sache der Oper, abzuschätzen, ob sie die Inszenierung mit ihrer starken psychischen Wirkung weiter verantworten könne.
Die Premiere des «Tannhäuser» hatte am vergangenen Samstag wegen der krassen Darstellung von Nazi-Morden und Tod in Gaskammern Empörung bei vielen Zuschauern ausgelöst. Rheinoper-Intendant Meyer hatte sich bestürzt über die heftigen Reaktionen gezeigt, aber zunächst weiter zu der Inszenierung gestanden.