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Weitere Umbesetzung in Bayreuth

Und jetzt auch noch der Parsifal: weitere Umbesetzung in Bayreuth

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Top oder Flop? Die Bayreuther Festspiele zwischen „Ring“ und Corona

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Seit zwei Jahren herrscht Ausnahmezustand auf dem Grünen Hügel: 2020 fiel das Opernspektakel Corona vollständig zum Opfer, 2021 durfte nur die Hälfte der Zuschauer ins Festspielhaus. In diesem Jahr sollte alles wieder sein wie immer – eigentlich.

Es könnten Bayreuther Festspiele der Superlative werden: Mit einem neuen, lange erwarteten „Ring des Nibelungen“ und einer weiteren Neu-Produktion von „Tristan und Isolde“ gibt es in diesem Jahr so viel Neues zu sehen wie noch nie in der Geschichte des Opernspektakels. Fünf neue Opern auf einen Streich. Es könnte aber auch gewaltig schief gehen. Denn Corona hat bereits jetzt für mächtig Wirbel bei den Richard-Wagner-Festspielen gesorgt.

Von zahlreichen Infektionen im Team ist die Rede, eine davon so heftig, dass sie Planungen durcheinanderwirbelt: Pietari Inkinen, musikalischer Leiter des vierteiligen „Rings“, ist so schwer erkrankt, dass er kurz vor der Premiere aufgeben musste. Und wer weiß schon, bei welchem Mitwirkenden die Viren noch zuschlagen, allen Sicherheitsvorkehrungen zum Trotz?

„Corona ist leider wieder deutlich präsenter, als wir es alle für diesen Sommer erwartet hatten“, sagt Festspielchefin Katharina Wagner der Deutschen Presse-Agentur. „Corona hat leider auch zu Publikumsschwund geführt, viele Häuser bemerken dies mit einem starken Rückgang auch im Bereich der Abonnenten. Wir sind sehr glücklich, quasi ausverkauft zu sein.“

Trotzdem gab es – auch das dürfte ein Novum in der Festspielgeschichte sein – kurz vor Festspielstart im Online-Shop noch Tickets für so ziemlich jede der Inszenierungen, sogar für die Eröffnungspremiere mit dem „Tristan“. Rückläufer seien das gewesen, heißt es. Inzwischen gehen die Festspiele aber davon aus, ausverkauft zu sein, wie es Tradition ist auf dem Grünen Hügel. Allerdings gibt es wegen Umbaumaßnahmen in diesem Jahr rund 200 Plätze weniger als üblicherweise. 

Einer, dem Corona in diesem Jahr in die Karten gespielt hat, ist Cornelius Meister. Denn er ist nach Inkinens Ausfall unverhofft zum Dirigenten des neuen „Ring“ geworden – einem Spektakel, das weltweit Beachtung finden wird.

Der 42 Jahre alte Generalmusikdirektor der Staatsoper Stuttgart war eigentlich in die beschauliche oberfränkische Stadt gereist, um die kurzfristig noch auf den Spielplan genommene Eröffnungsinszenierung „Tristan und Isolde“ zu erarbeiten und zu dirigieren. „Ich habe unglaublich nette Vermieter hier, die haben gleich, als sich die Veränderung abzeichnete, gesagt: Können wir etwas für Sie tun, können wir was einkaufen?“, erzählte er. Bei der „Tristan“-Premiere am Montag soll für ihn nun Markus Poschner am Pult stehen.

Den neuen „Tristan“ hatte Festspiel-Chefin Katharina Wagner quasi in letzter Minute, erst im Dezember bei Regisseur Roland Schwab in Auftrag gegeben – aus Angst, Corona-Erkrankungen im Chor könnten die großen Chor-Opern „Lohengrin“, „Holländer“ und „Tannhäuser“ kurzfristig vom Spielplan fegen.

Alle Augen ruhen aber dennoch auf „Ring“-Regisseur Valentin Schwarz, der das Mammutwerk mit einer Art „Netflix“-Serie verglichen hat. „Es geht hier nicht um die Ästhetik einer Fernsehserie. Was ich mit Netflix beschreiben wollte, das ist diese intensive Seh-Erfahrung, die man in Bayreuth hat“, sagte er dem „Münchner Merkur“. „In einer Woche alles hintereinander anschauen, das erinnert mich tatsächlich an Binge Watching. Die andere Parallele: Wir haben hier ein Familienepos, in dem wir alle Figuren über Jahre hinweg begleiten dürfen.“ Nach dem bildgewaltigen, aber von vielen als nicht genug durchdacht kritisierten „Ring“ von Frank Castorf wird mit Spannung erwartet, wie sich der junge Regisseur Schwarz schlägt.

In Bayreuth geht es aber ja von je her nicht nur um das, was auf der Bühne und im Orchestergraben passiert. Die ganz besondere Organisation der Festspiele und dass ihre Leitung bislang stets in den Händen der Nachfahren von Festspielgründer Richard lag, ist weltweit einmalig – aber eben immer wieder auch Stoff für Dramen und Debatten.

Der Vertrag von Wagner-Urenkelin Katharina als Festspielchefin läuft 2025 aus. Was ist dann? Hat der Nimbus Bayreuth allen Corona- und Krisen-Wirren zum Trotz Bestand? Wollen Klassik-Fans aus aller Welt auch weiterhin ausgerechnet hier, auf engen Holzstühlen in einer mittelgroßen fränkischen Stadt, Wagner erleben? Wie geht es in Zeiten knapperer Kassen weiter mit der millionenschweren und schon seit Jahren laufenden Sanierung des weltberühmten Hauses? Dass die Kosten im Bauwesen explodieren, hat vom Häuslebauer bis zum Ministerialbeamten jeder inzwischen bemerkt.

Auf eines immerhin ist Verlass in diesen unsicheren Zeiten für das Festival: Angela Merkel wird auch in diesem Jahr wieder da sein. Als Bundeskanzlerin läutete sie traditionell ihre Ferien mit einem Bayreuth-Besuch ein, blieb oftmals sogar ein paar Tage länger, um abseits des Eröffnungs-Trubels Wagners Musikdramen und die fränkische Landschaft genießen zu können. Nun kommt sie auch als Kanzlerin a.D. gemeinsam mit Ehemann Joachim Sauer nach Bayreuth. Ihr Nachfolger Olaf Scholz kommt nicht.

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