Erstmals ist eine Tätigkeit im Lehrauftrag an einer deutschen Musikhochschule von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) als abhängige Beschäftigung eingestuft worden.
Herrenberg-Urteil zieht Kreise
In dem Feststellungsbescheid, der der neuen musikzeitung vorliegt und in dem es um einen seit über 20 Jahren bestehenden Lehrauftrag geht, beruft sich die DRV ausdrücklich auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. Juni 2022 (Az.: B 12 R 3/20 R), die als „Herrenberg-Urteil“ bekannt geworden ist. Analog zu den dort in Bezug auf eine Tätigkeit an der Musikschule festgestellten Kriterien liegt nach Auffassung der DRV auch hier ein Beschäftigungsverhältnis unter anderem deswegen vor, da Unterrichtsinhalte nach der jeweiligen Studien- und Prüfungsordnung auszurichten sind, eine feststehende Vergütung gezahlt wird, also kein unternehmerisches Risiko besteht, und die Tätigkeit im Rahmen einer weitgehend weisungsgebundenen Eingliederung in einen Betrieb ausgeübt wird.
Gegenüber der nmz betonte der Vorsitzende der Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen (RKM), Prof. Christian Fischer, den abweichenden Standpunkt der Hochschulen in dieser Frage. Es bestehe ein juristischer Unterschied zwischen einem privatrechtlichen Honorarvertrag an einer Musikschule und einem Lehrauftrag an Hochschulen als staatlichen Körperschaften. Letzterer werde als ein in den Hochschulgesetzen verankertes „öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis“ durch einen Verwaltungsakt begründet. Mit Blick auf die Fachgespräche im Bundesministerium für Arbeit und Soziales werde man darauf hinwirken, dass dieser vom Gesetzgeber eingerichtete Unterschied bei der Beurteilung durch die DRV Berücksichtigung finde. Fischer kann sich vorstellen, dass von derlei Verfahren betroffene Hochschulen sich gegen die Einstufung wehren werden, „unter Umständen bis in die letzte Instanz“. Gleichzeitig bedaure er es unter kollegialen Gesichtspunkten ausdrücklich, dass Musikhochschulen schon jetzt von Seiten der Ministerien angehalten seien, die Lehrbeauftragten komplett aus der Selbstverwaltung und anderen hochschulinternen Prozessen herauszuhalten, um die Kriterien einer selbstständigen Tätigkeit zu erfüllen.
Von solchen Fällen berichtet auch Sebastian Haas, Sprecher der Bundeskonferenz der Lehrbeauftragten an Musikhochschulen (bklm) und Mitglied des geschäftsführenden Vorstands der Deutschen Musik- und Orchestervereinigung unisono. An einer Hochschule habe die Leitung die Fachgruppensprecher*innen per Rundbrief darüber informiert, dass diese für die Einhaltung der neuen Regelungen und für eventuelle Konsequenzen verantwortlich seien. Für bklm und unisono stehe deshalb zunächst einmal die Frage im Vordergrund, „wie man das Herrenberg-Urteil und die Mitwirkungsmöglichkeiten von Lehrbeauftragten übereinbringen kann“. In der Sache bezweifelt Haas, ob im Falle einer juristischen Auseinandersetzung die Unterscheidung zwischen Honorarverträgen an Musikschulen und dem Hochschulverwaltungsakt Lehrauftrag vor dem Bundessozialgericht Bestand hätte. In jedem Fall werde unisono der RKM Gespräche anbieten, denn das Problem könne nur gemeinsam gelöst werden. „Es geht hier nicht um Verband oder Gewerkschaft gegen die Hochschulen, es muss eine politische Lösung her“, so Sebastian Haas. Die betroffene Musikhochschule wollte zum jetzigen Zeitpunkt keine Stellungnahme zu dem Sachverhalt abgeben.
Lesen Sie dazu auch den Kommentar auf Seite 1.
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