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Von links: Moderatorin und nmz-Redakteurin Ursula Gaisa, Autorin Michaela Fridrich und Jürgen Oberschmidt, Präsident des BMU. Foto: Andreas Kolb
Von links: Moderatorin und nmz-Redakteurin Ursula Gaisa, Autorin Michaela Fridrich und Jürgen Oberschmidt, Präsident des BMU. Foto: Andreas Kolb
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Musik neu vermitteln

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Ein Plädoyer der Autorin Michaela Fridrich und der Widerhall
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Dass Musikvermittlung eine Haltung ist, kristallisierte sich im Gespräch zwischen BR-Autorin („Musik neu vermitteln – ein Plädoyer“) Michaela Fridrich und BMU-Präsident Prof. Jürgen Ober­schmidt heraus. Ursula Gaisa moderierte.

Musikunterricht – ein bisschen singen, ein bisschen Carl-Orff-Instrumentarium bedienen, ein bisschen bewegen, das reicht. So sieht das jedenfalls in den Augen von Michaela Fridrich ein großer Teil in Gesellschaft und Politik. Der Stellenwert von Musik werde auch an anderen Stellen deutlich: Entweder falle das Fach komplett aus oder werde von fachfremden Lehrer*innen unterrichtet. Und dennoch gebe es keinen Aufschrei. Bei Mathe wäre das anders, ist sich Fridrich sicher, niemand würde eine Lehrkraft tolerieren, die gerade einmal einen Kurs im Einmaleins vorweisen könne. Jürgen Oberschmidt wirft ein, dass die Lehrkräfte teilweise nicht einmal das „kleine Einmaleins“ beherrschen würden und deshalb etwa Lückentexte zu Mozarts Reisen ausfüllen ließen. Und das nicht, weil sie schlecht ausgebildet seien. Sie verstünden es vielmehr als ihre Aufgabe, in dem System Schule so zu unterrichten – abprüfbar, berechenbar und formalisierbar. Jede Lehrkraft müsse sich bewusst machen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt. Und die Bildungspolitik müsse verstehen, dass die eigene Stimme, die die Musik spricht, in der Schule auch gehört werden darf.

Fridrich hat einige Ideen für neue Konzepte: Etwa anhand von Pop-Songs echte Kompetenz zu vermitteln und mit den dank der Digitalisierung dauerbeschallten Schüler*innen zu ergründen, wie und warum ein guter Song funktioniert. Aber stattdessen sei der Unterricht nach wie vor eine Mischung aus trockener Musikgeschichte auf Wikipedia-Niveau und Singen – wie schon in ihrer eigenen Schulzeit. Genau darin sieht Oberschmidt einen Kern des Problems: Die heutigen Kulturpolitiker*innen hätten selber einen Unterricht erlebt, der sie nicht berührt hat. So sei es nicht verwunderlich, dass sie diesen für entbehrlich halten. Politiker*innen sind gewählt, tastet Fridrich sich zur Wurzel des Problems vor. Pragmatisch gesagt: Wenn Politiker*innen sich für Kunst und Kultur oder gar den Musikunterricht einsetzen, werden sie nicht wiedergewählt. Der Rückhalt in der Gesellschaft für die künstlerischen Fächer sei zu gering. Oberschmidt spricht von einem Paradigmenwechsel in der Bildung, die nur noch ökonomisiert betrachtet werde. Doch er hegt die Hoffnung, Corona habe ein Umdenken angeregt.

Fridrich fordert eine aktivere Musikvermittlung, warnt aber auch davor, sich in einer Bubble zu bewegen. Denn nicht allen Menschen sei das Thema wichtig – kulturelle Veranstaltungen würden nur von zehn Prozent besucht. Man müsse Haltung annehmen und den persönlichen Wert von Musik an die Umgebung transportieren. Oberschmidt appelliert abschließend an alle, sich mit ihren individuellen Möglichkeiten, aber in Zusammenarbeit für das Ziel einzusetzen.

O-Töne von der Buchmesse

Jürgen Oberschmidt: „Ich kann mich noch direkt an ein Mädchen erinnern in der 7. Klasse, das mir gesagt hat, sie würde jetzt mit Geigespielen aufhören, das sei alles zu viel, sie hätte in fünf Fächern Nachhilfeunterricht. Und dann habe ich bei der nächsten Zensurenkonferenz erfahren, dass dieses Mädchen in allen Fächern auf einer 1 stand, nur in Sport kriegte sie eine 2. Aber sie hatte in fünf Fächern Nachhilfeunterricht, weil die Eltern noch mehr tun wollten, noch optimieren, noch mehr fördern, noch mehr fordern, um jetzt im Grunde genommen diese Hard Skills zu erfüllen. Und das hängt jetzt auch nicht mit einer Verkürzung des Schulsystems zusammen, das ist ein Paradigmenwechsel, der unsere Bildung insgesamt betrifft. Eine Bildung, die ökonomisiert betrachtet wird und die dahingehend beurteilt wird, ob das, was man in der Schule lernt, im Berufsleben später ökonomisch wirksam eingesetzt werden kann.“

Michaela Fridrich: „Man müsste sich wirklich auf die Erwachsenen konzentrieren, um das Bewusstsein für den Wert, den Kunst und Kultur haben, tatsächlich zu steigern, und dann würden die Erwachsenen daherkommen und Druck ausüben auf die Bildungspolitik, und die sähe sich dann vielleicht veranlasst, einen qualitativ hochwertigen und wirklich kontinuierlichen Musikunterricht an den Schulen zu ermöglichen. Das wäre eigentlich so ein kleiner utopischer Traum, den ich hätte.“

Jürgen Oberschmidt: „Ich glaube, wenn wir nicht alle das gleiche Ziel hätten, dann säßen wir nicht hier. Und wir alle ziehen an einem Strang und müssen das gemeinsam tun und mit unseren individuellen Möglichkeiten, ganz egal, ob wir an der Schule arbeiten, selber Konzertbesucher sind, ob wir andere dazu animieren, ins Konzert zu gehen – wo und wie wir uns auch immer mit Musik beschäftigen, es kann nur gemeinsam geschehen und es kann nur im gemeinsamen Austausch entstehen.“

Michaela Fridrich: „Die Gefahr ist immer, dass wir uns in einer Bubble bewegen. [...] Es gibt Menschen, denen ist das alles nicht so wichtig wie mir.“ „Musikvermittlung ist für mich eine Haltung. Das ist nicht ein bestimmtes Konzertformat oder eine bestimmte Art von Musikunterricht. Und diejenigen, die wissen, was der Wert von Musik ist, diejenigen, für die Musik essenziell ist, die müssen eine Haltung einnehmen und das an ihre Umgebung weitergeben. Das betrifft alle Kulturschaffenden. [...] Wie gesagt: Musikvermittlung ist eine Haltung. Das wäre mein Schlusswort.“ 

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