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Ari Benjamin Meyers: Nation of Sleep (2024), Performance. Foto: steirischer herbst/Johanna Lamprecht

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Stilles Hoffen

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Ein Kommentar zur Kulturpolitik in Österreich
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Es ist verdächtig ruhig im Staate Österreich. Am 29. September fand die Nationalratswahl statt, die Rechtspopulisten der FPÖ gewannen. Doch eine wenn überhaupt dort vorhandene Vorstellung dieser Partei von Kultur, die sich in Schleifen von oktroyierter Volkskunst und Brauchtum erschöpft und an der Vielfalt und den Bedürfnissen der Gegenwart reichlich vorbeigeht, wurde zunächst einmal abgewendet, da keine der anderen Parteien mit der FPÖ zusammenarbeiten wollte. Bundespräsident Alexander Van der Bellen beauftragte die konservative ÖVP und die SPÖ mit Sondierungsgesprächen zu einer Koalition, zu der sich nun die liberale NEOS-Partei hinzugesellt – Ergebnisse sind nicht vor der Jahreswende zu erwarten. 

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Was nach einer Ampel aussieht, sollte dennoch nicht mit dem deutschen, gerade gescheiterten Modell verglichen werden – gerade im Hinblick auf österreichische Kulturpolitik kann diese Konstellation Beständigkeit und Konsolidierung bedeuten. Dennoch rufen Kulturschaffende gerade jetzt die Bedarfe der Zeit in Erinnerung: Zugang und Teilhabe zur Kultur, unabhängig von sozialem, wirtschaftlichem oder kulturellem Hintergrund, werden wesentliche Themen der Zukunft bilden. Und obwohl nach außen hin Kulturleuchttürme wie etablierte Festivals und Kunstsammlungen wirken, gibt es bei der kulturellen Basisversorgung in den Bundesländern und Städten, gerade auch in neu sprießenden kulturellen Nischen der nächsten Generation, genug zu tun, um deren Kreativität die nötige Aufmerksamkeit zu geben. 

Dazu gehört auch die in Österreich bereits entwickelte Diskussion um Fair-Pay-Maßnahmen, die zumindest jetzt bei Beschäftigten in Bundesmuseen zu einem neuen gültigen Mindestlohn geführt hat. Die soziale Absicherung und gerechte Bezahlung von Kunst- und Kulturschaffenden bleibt jedoch ein Thema in allen Branchen, welches Österreich auch im europäischen Kontext beachten sollte. Der europäisch wirkende Kulturgedanke fand in 2024 erfreulicherweise durch zwei Großereignisse wie der Kulturhauptstadt Bad Ischl Salzkammergut und dem Bruckner-Jubiläum mit der KulturEXPO Ober-österreich einen weit ausstrahlenden Niederschlag. 

Dabei hört sich deren Slogan „Und weiter so – Alle! Alle! Kultur“ für das Weiterwirken nach deren Finale am 30. November eher wie ein Marketingstolperer an, denn in einen Spruch gegossen erscheint dort die Gefahr, in die Österreich trotz der Abwendung von den Rechtspopulisten steuern könnte: ein „weiter so“ hätte unweigerlich die historisch allbekannte Behäbigkeit zur Folge, in der dann plötzliche Einspargespenster auftauchen wie etwa die unselig-unnötige Diskussion um das ORF Radio-Symphonieorchester, einen beständigen und mutigen Motor und Reflektor der zeitgenössischen Musik im Land, deren Zukunft hoffentlich gesichert bleibt.

Um Reibungsflächen ist man ohnehin in Österreich nicht verlegen, und wenn es um Korruption oder Machtmissbrauch geht, ist eigentlich auch die Regierung egal, da ist man jahrzehntelang geübt. Doch anstatt, dass es wie bislang die Wiener Klatschblätter richten, (und dann: weiter so!) wären deutliche Zeichen beispielsweise in Richtung me-too-Aufarbeitung – zuletzt mit bekannten Fällen in Film und Schauspiel – notwendig. Es wird also auch auf Personalentscheidungen und gesetzliche Grundlagen für eine faire und achtsame Kultur ankommen. 

Demgegenüber hatte das Kulturfestival Steirischer Herbst in diesem Jahr seiner Mottowahl in guter Bernhard- und Jelinektradition mit „Horror Patriae“ den (rechten?) Teufel selbst an die Wand gemalt, und eine im Festival aufgeführte Bettenperformance namens „nation of sleep“ könnte durchaus auch in Richtung Koalitionsverhandlungen gedeutet werden: Bloß nicht einschlafen, Österreich! Dann doch lieber zünftig, wie das gerade in aller Buntheit gegenwarts-zelebrierende WienModern Festival in seinem Motto „Und jetzt alle zusammen!“ formuliert? Doch genau dort liegt vielleicht die Zauberformel (nicht nur) für Österreich. Wer Kultur bewahren und gleichzeitig in Bewegung bringen will, braucht Gleichgesinnte und Zusammenhalt, aber auch den Nachbarn, der mit einem wahlweise lauthals diskutiert oder einfach tanzt und feiert. Eine gemeinsam gesprochene, demokratisch fundierte Sprache der Kultur in aller ihrer Diversität scheint ein immer wieder aufscheinender Bedarf in Österreich zu sein. 

Und das wäre plausibler und authentischer, als Kultur zu Insta-Spots zu degradieren und – wie in Südtirol bereits zu beobachten  – absurde Schlangen von SUVs in verstopften Tälern zu erzeugen, die zu ‚einsamen Bergseen‘ aufbrechen, um nach Selfie und Pommes wieder (im gleichen Stau) nach Hause zurückzukehren. Da hat Österreich deutlich mehr zu bieten, und auch auf die politischen Akteure wird es ankommen.

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