Im Vorfeld der inzwischen vierten Neuauflage der Honorarstandards des Tonkünstlerverbandes Baden-Württemberg wurde vom 18. Mai bis zum 16. Juni 2020 eine Online-Umfrage zum Thema Honorare und Verdienstmöglichkeiten in der Corona-Krise durchgeführt. 666 Fragebögen gingen ein, also beteiligte sich fast ein Drittel der Mitglieder an der Umfrage. 65,9 Prozent davon sind weiblich, 34,1 Prozent männlich. Der Altersdurchschnitt liegt bei 51 Jahren, wobei die Altersspanne von 22 bis 91 Jahren reicht. 34,1 Prozent der Befragten leben und arbeiten in der Großstadt über 100.000 Einwohner, 23,3 Prozent in mittelgroßen Städten, der Rest verteilt sich auf Kleinstädte und Landgemeinden, 11,9 Prozent sind überregional tätig.
Bei der Frage nach ihrer Art der Beschäftigung gaben 41,4 Prozent an, soloselbstständig zu sein, wobei nicht noch einmal in pädagogische oder künstlerische Berufsausübung unterschieden wurde. 39,6 Prozent beziehen ihr Einkommen aus mehreren Beschäftigungsformen in Kombination. Darüber hinaus gibt es Honorarkräfte an Musikschulen (6,5 Prozent), Festangestellte an Musikschulen (8,3 Prozent), Leiter*innen einer eigenen Musikschule (3,9 Prozent) und zwei Festangestellte in Chor, Orchester, Theater oder Funk (0,3 Prozent). Große Zurückhaltung legten die Mitglieder offensichtlich bei der Beantragung von Leistungen aus dem Corona-Hilfsangebot des Landes Baden-Württemberg an den Tag: 64,6 Prozent verneinten die Antragsstellung. Dies liegt aber auch daran, dass viele Frauen als Zweit- und Geringverdiener in einem Haushalt gar nicht berechtigt waren, die Hilfe zu beantragen. 28,2 Prozent haben die Leistungen beantragt und bekommen, 1,8 Prozent haben sie beantragt und nicht bekommen, 3,5 Prozent möchten noch Leistungen beantragen. Die Frage: „Haben Sie Online-Unterrichtsformen in Ihr Angebot aufgenommen?“ richtete sich an Musikpädagog*innen und wurde 654-mal beantwortet. Fast die Hälfte, nämlich 49,0 Prozent haben zum gleichen Preis Online-Unterricht erteilt. 22,1 Prozent werden auch weiterhin Online-Unterricht als Zusatzangebot beibehalten und 12.4 Prozent wünscht sich die Aufnahme dieser Option in die Unterrichts-Verträge des DTKV. Nur 2,6 Prozent haben Preisnachlässe auf die Online-Stunden gegeben. Auch künstlerisch tätige Kolleginnen und Kollegen wurden gefragt, ob sie Online-Formate wie Live-Stream, Konzert oder Gottesdienst angeboten haben. Hier antworteten 624 Befragte, wobei der Großteil (53,9 Prozent) ein Nein aussprach. 11,2 Prozent gaben an, dies kostenlos für einen guten Zweck getan zu haben und 9,1 Prozent kostenlos zur Eigenwerbung. Die Schwelle, auf diesem Gebiet kostenlose Leistungen zu erbringen, ist also deutlich niedriger als auf dem pädagogischen Sektor. 9,3 Prozent erhielten für ihre Tätigkeit ein Honorar, 6,6 Prozent können sich vorstellen, auch zukünftig online Musik zu machen.
Chorsingen, Blasmusik, überhaupt Ensemblemusizieren jeglicher Art ist ja durch die Corona-Verordnungen und Abstandsgebote nach wie vor erheblich erschwert, wenn nicht unmöglich. So richtete sich auch eine Frage nach der Bezahlung an freiberufliche Chor- und Ensembleleiter*innen, die 241-mal beantwortet wurde. 62,7 Prozent erhalten kein Honorar, solange keine Proben stattfinden. Das ist alarmierend und zeigt die Notwendigkeit von praktikablen Hygienekonzepten für Chor- und Orchesterarbeit sowie Hilfsfonds für Vereine. Gerade in der Breitenmusik sind vielfältige Betätigungsfelder für professionelle Musiker*innen vorhanden. Dies zeigt auch die Kreativität bei den Ersatzangeboten, die bereitgestellt werden. 37,3 Prozent erhalten ihre Bezüge weiter und setzen sich für den Zusammenhalt des Klangkörpers durch mannigfache Ideen ein. Manche Chorleiter*innen haben eigens Chorsätze geschrieben und online mit Aufnahmen verschickt oder ein Video zum 1. Mai erstellt, virtuelle Choraufnahmen oder CD-Aufnahmen gemacht. Weitere Leistungen reichen vom Sortieren des Notenarchivs bis hin zu Einzelstimmbildung online und sogar über das Telefon. Online-Proben mit dem Chor haben 24,4 Prozent der Befragten angeboten. Seit dem 15.6.2020 dürfen Chöre und auch Blasorchester in Baden-Württemberg wieder proben, aber unter strengen Hygiene- und Abstandsregeln und nur wenn ein Konzert vorbereitet wird. Auch hier gibt es innerhalb des Bundeslandes noch Unterschiede. Während etwa die katholische Kirche für Chöre 3,50 Meter vorsieht, sind es bei den weltlichen Chorverbänden 2 Meter Abstand zwischen den Singenden. Eine weitere Frage beschäftigte sich mit Rabatten auf pädagogische oder künstlerische Tätigkeiten in der Krise. Hier verneinen 63 Prozent ganz klar, Rabatte zu geben oder noch geben zu wollen. 15 Prozent hingegen geben Rabatte auf Musikunterricht, wenn Eltern und Schüler den vollen Betrag aufgrund von Kurzarbeit oder anderen finanziellen Engpässen nicht mehr bezahlen können. Nur 1,2 Prozent bietet Rabattaktionen an, um neue Schüler zu rekrutieren. Hier zeigt sich allerdings in den freien Antworten, dass ohnehin schon billige Anbieter weitere Rabatte geben und in einem Fall bei niedrigem Honorar sich ein Drittel der Schüler bis zum Sommer ohne Rabattanfrage abgemeldet haben. Daher empfiehlt sich dringend die Definition der eigenen Arbeit über Qualität und Qualifikation, gerade in der Krise. Nur so wird Musikunterricht als ein unverzichtbares Gut angesehen, das trotz eventueller finanzieller Engpässe weiter Bestand hat.
Die letzte Frage lautete: „Wie schätzen Sie Ihre Verdienstmöglichkeiten nach der Corona-Krise ein? Werden Sie Ihr bisheriges finanzielles Niveau wieder erreichen können? Immerhin 35,8 Prozent denken, dass es weiter geht wie bisher. Gleichzeitig rechnen fast so viele Befragte (31,8 Prozent) mit langfristigen finanziellen Einbußen. 6,6 Prozent werden von der künstlerischen Arbeit allein nicht mehr leben wollen oder können, 5,1 Prozent denkt gar über einen Berufswechsel nach. Diese Zahlen sprechen für sich und auch die 164-mal abgegebenen persönlichen Einschätzungen zeichnen ein düsteres Bild von der Zukunft vor allem der ausübenden Musiker*innen. Während die reinen Pädagog*innen weniger von Zukunftssorgen geplagt sind, rechnen die allermeisten künstlerisch Tätigen mit massiven Einbrüchen des Konzertbetriebs aufgrund von Finanzlücken bei Kommunen, Ländern und privaten Sponsoren. Nicht zuletzt wird mehrfach ein „Chorsterben“ im kirchlichen und weltlichen Bereich prophezeit, das sich verheerend auf die musikalische Landschaft und das Beschäftigungsangebot auswirken wird.
Der Preiskampf wird noch härter werden und die Solidarität unter den professionellen Musiker*innen gegen Dumping-Honorare umso mehr gefragt sein. Rabatte und kostenlose Livestreams zur Selbstvermarktung sind nicht einmal kurzfristig eine Lösung, sondern langfristig der Tod dieser ohnehin schon prekären Branche. Daher wird der Tonkünstlerverband Baden-Württemberg in der 4. Auflage der Honorarstandards die Erhöhungen, die ver.di und die DOV vorsehen, ebenfalls darstellen und empfehlen (dazu mehr in der nächsten Ausgabe).