Bis vor kurzem noch haben wir in der sogenannten „Aufmerksamkeits-Gesellschaft“ gelebt. Das Rad dreht sich weiter, und wir sind in der „Aufregungs-Gesellschaft“ angekommen. Schuld haben natürlich die Sozialen Medien. Aber nicht immer, wie eine Premiere an der Oper Frankfurt Anfang November zeigte. Für eine Intervention durch die Frankfurter Kulturpolitik waren weder protestierende Aktivist*innen noch ein Shitstorm nötig.
Rassismus fängt schon in der Übezelle an
Das Bemühen, Rassismus in unserer Gesellschaft – gerade auch in Kunst und Kultur – beim Namen zu nennen, ist ehrenwert, wird jedoch durch Aktionismus wie in Frankfurt eher torpediert. Die Geschichte ist ein Beispiel dafür, dass in Deutschland die Auseinandersetzung mit gesellschaftlich virulentem Rassismus noch immer in ihren Anfängen steckt.
Das Wort „Blackfacing“ ist im deutschen Kulturkreis noch nicht sehr lange bekannt. Auf deutschen Bühnen wurde die Debatte über diese Form von kulturellem Rassismus 2012 durch ein Werbeplakat des Berliner Schlosspark-Theaters ausgelöst. Darauf war der weiße Schauspieler Joachim Bliese mit schwarz bemaltem Gesicht, Hals, schwarzen Händen und weit aufgerissenen Augen neben seinem Kollegen Dieter Hallervorden zu sehen. Die Leitung des Schlosspark-Theaters rechtfertigte sich damals mit dem Argument, man könne keine schwarzen Schauspielerinnen oder Schauspieler ins feste Ensemble aufnehmen, weil es für sie nicht genügend Rollen gebe. Weiße können demnach alles spielen – Schwarze aber nur Schwarze. Der Umkehrschluss wäre, schwarze Figuren nur noch mit Schauspielerinnen und Schauspielern schwarzer Hautfarbe zu besetzen.
Kunstfreiheit hin oder her: Ideal wäre, wenn in den Ensembles Ethnien, Migrationshintergründe, Hautfarben und Geschlechter so divers vertreten wären, dass das äußere Erscheinungsbild seine Zeichenhaftigkeit verliert. Doch es wird noch eine Weile dauern, bis eine Person of Colour den „Wotan“ spielen kann, ohne dass das Publikum darin eine Inszenierungsabsicht liest.
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