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Titelseite der nmz 03/2025

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Solidarität ist sowas von 2009

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Reformbedarf bei der GEMA-Reform – aber in welche Richtung?
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Die GEMA vermeldet jedes Jahr neue Rekordzahlen bei den Erträgen in ihrem Geschäftsbericht. Man könnte meinen, es gehe ihr bestens. Auch für das abgelaufene Geschäftsjahr 2024 erwartet die GEMA „sowohl bei den Gesamterträgen, als auch bei den Gesamtaufwendungen einen leichten Anstieg.“ Alles gut? Leider nein, denn zugleich hat die letzte Vollversammlung im Jahr 2024 beschlossen, einen „Reform“-Prozess in Gang zu setzen. Dabei gibt es immer Gewinner und Verlierer. Der Hauptverlierer dürfte aber die Verwertungsgesellschaft GEMA selbst sein, die sich kulturell und sozial zu amputieren droht.

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Der Hintergrund des Reformvorhabens beruht nach GEMA-Angaben darauf, dass die Unterscheidung musikalischer Werke nach den Kategorien Ernste Musik („E“) und Unterhaltungsmusik („U“), „die mit unterschiedlichen Mechanismen in der Verteilung und der kulturellen Förderung einhergeht, […] der Vielfalt des gegenwärtigen Musikschaffens jedoch nicht mehr gerecht“ werde. Weil, und jetzt wird es kurios, es auch in der Unterhaltungsmusik „viele Nischen und Kunstformen“ gebe, „in denen heutzutage nur geringe Einkommen erzielt werden“ können. Deshalb sei vor „diesem Hintergrund […] die derzeitige Bevorzugung der ‚Ernsten Musik‘ bei Ausschüttung und Förderung der Mehrzahl der Mitglieder nicht mehr vermittelbar“. Noch deutlicher wird das in einer Stellungnahme von GEMA-Vorstand und -Aufsichtsrat, wenn man da eine „Sonderbehandlung“ der E-Musik beklagt und gerade auch „vor dem Hintergrund, dass die Schutzfristen für aufkommensstarke E-Werke (z.B. Richard Strauss, Sergej Prokofjew, Jean Sibelius) kontinuierlich auslaufen“ den schwarzen Peter der Szene selbst zuschieben möchte, trotz stetiger Zunahme der Gesamterträge insgesamt. Wie valide die Berechnungen und Prognosen sind, kann niemand zuverlässig beantworten. Genauso gut könnte es sein, dass die Einnahmen aus weniger ambitionierter Musik in Zukunft geringer werden, weil generative KI-Musik deren Arbeit übernimmt? Soll hier eine Verwertungsgesellschaft schleichend und unter Mitwirkung ihrer Mitglieder in ein Inkassounternehmen umgewandelt werden? Und wäre dies überhaupt in Einklang zu bringen mit der Aufgabe von Verwertungsgesellschaften, wie sie bis 2016 deutsches und seither europäisches Recht vorgeben? 

Der GEMA-Vorstand behauptet, dass die 10 Prozent der Verteilungssumme, die für die Förderung der kulturellen Leistungen abgezogen werden, international nicht zu halten seien. Es wird also Druck von außen vorgeschoben, so als müssten die GEMA-Berechtigten sich diesem Diktat unterwerfen. Aktuell ist geplant, den Anteil auf 5 Prozent zu senken. 1997 hat die englische Verwertungsgesellschaft PRS die GEMA in diesem Punkt angegriffen. Aber sowohl deren Vorstandsvorsitzender Reinhold Kreile wie auch die damalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger haben diesen Angriff auch mit Blick auf deutsches Recht abwehren können. Reinhold Kreile schrieb damals in der nmz: „Es sind zumal die anglo-amerikanischen Rechteinhaber, die auch in ihren eigenen Ländern keinen Zusammenhang zwischen dem kulturellen Auftrag des Urheberrechts und dem Inkasso kennen: Sie erkennen nicht und wollen auch nicht erkennen, dass gerade die Breite der musikalischen Kultur eines Landes von der Pflege der musikalischen Kultur – und diese setzt eben bestimmte finanzielle Mittel voraus – abhängt.“ 

Selbst noch das seit 2016 geltende Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) verlangt: „Die Verwertungsgesellschaft soll kulturell bedeutende Werke und Leistungen fördern.“ Anders als früher ist das aber leider nicht mehr zwingend an den Verteilungsplan gekoppelt, wie es noch im Urheberwahrnehmungsgesetz formuliert war. Damit stellt sich die Frage, wo die Willkür beginnt und wie man trotzdem sicher stellt, dass die Verwertungsgesellschaft „kulturell bedeutende Werke und Leistungen“ fördert. In zahlreichen bisher in der Öffentlichkeit geführten Debatten zum Thema der GEMA-Reform wird dagegen darauf abgehoben, dass sich die GEMA als Solidargemeinschaft verstehe. 2009 betonte die GEMA in einer Antwort auf die Ergebnisse der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“: „Die sozialen und kulturellen Leistungen der GEMA drücken sich insbesondere im Wertungs- und Schätzungsverfahren sowie in der Bereitstellung von Mitteln für die Sozialkasse und die Alterssicherung aus.“

Es geht hier nicht um Fragen der Ästhetik. Die Fokussierung auf die Kategorien E- und U-Musik verdeckt den tatsächlichen Konflikt, der sich in dem Bereich abspielt, wo es ums Eingemachte geht, nämlich um das Geld. Nur 14 Prozent aller Wahrnehmungsberechtigten der GEMA teilten sich 2007 zirka 61 Prozent der Ausschüttungen. Hier geht es wirklich um Einnahmen von Relevanz, da versteht auch das gemeine Vereinsmitglied keinen Spaß mehr, egal ob E oder U – zumal, wenn man dadurch seine Einnahmen aus Tantiemen erhöhen kann.Eine Reform wäre tatsächlich nötig, allerdings in Richtung einer Umverteilung von oben nach unten, um genau die Musik zu fördern, die nicht primär dem Marktprinzip sich unterwirft, sondern sich ihrer sozialen, kulturellen und eben auch ästhetischen Verantwortung in einer aufgeklärten und demokratischen Gesellschaft stellt. 

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Aber lässt sich dieser Prozess noch aufhalten? Ja, er lässt sich durch eine Ablehnung der Zustimmung zur massiven Absenkung des Beitrags für kulturelle Leistungen durch die abstimmenden Mitglieder beenden. Man muss nicht jeder kulturindustriellen Vernichtungsstrategie seinen Segen erteilen. Und man wünschte sich auch heute Kämpfer wie Wolfgang Rihm und Reinhold Kreile in Spitzenfunktionen der GEMA, anstelle dieser smarten Vollstrecker des Kapitalwillens. 

Vielleicht ist die Entscheidung über Satzungsänderungen, die in diesem Jahr seitens der stimmberechtigten und abstimmenden Mitglieder gefällt wird, die letzte, in der die Macht der Mitglieder nicht primär durch kommerzielle Interessen einer Clique von hauptsächlich profitinteressierten Urheber*innen ausgehebelt wird. Die Reform der Kulturförderung der GEMA ist eine Reform gegen die Kultur. 

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