Wenn es um musikalische Bildung geht, wird von allen Seiten betont, wie wichtig die Grundlegung in frühen Jahren ist. Diese Grundlegung muss in der Grundschule erfolgen – sie ist die Einrichtung, die von allen Kindern gemeinsam besucht wird, unabhängig von ihrem Bildungshintergrund oder dem sozialen Status ihrer Eltern. Doch die Umsetzung dieses dringenden Anliegens erfolgt in den Ländern, den Regionen und den Schulen vor Ort höchst unterschiedlich: Auf der einen Seite gibt es Grundschulen, an denen ein durchgängig zweistündiger Musikunterricht von qualifizierten und engagierten Musiklehrerinnen und Musiklehrern durchgeführt wird. Auf der anderen Seite werden Stundentafeln gekürzt (zuletzt in Sachsen), es gibt zu wenige Musiklehrerinnen und Musiklehrer (in welchem Bundesland nicht?) oder sie werden nicht fachgerecht eingesetzt, es fehlen speziell ausgestattete Musikunterrichtsräume.
Unter diesen Umständen können die Grundschulen bei allem Engagement ihre Aufgabe nicht erfüllen. Mit der aktuellen Lehrerknappheit insbesondere an den Grundschulen scheint sich das Problem weiter zu verschärfen. Dies zeigt sich unter anderem in einem hohen Anteil an Musikunterrichtsstunden, die von nicht entsprechend qualifizierten Lehrkräften erteilt werden; deren mitunter großes Engagement kann die fachliche und fachdidaktische Expertise in der Regel höchstens teilweise ersetzen. Vor diesem Hintergrund positioniert sich der BMU und benennt zentrale Kernpunkte für den Ausbau und die Sicherung der Qualität musikalischer Bildung in Grundschulen.
Professionalisierung! Wer in der Grundschule Musikunterricht erteilen will, muss in der Lage sein, kindgemäße musikbezogene Lernprozesse in methodisch angemessener Form und unter Verknüpfung verschiedener musikalischer Aktivitäten zu initiieren, anzuleiten, zu gestalten und zu reflektieren. Die notwendigen Kompetenzen umfassen dabei ein breites Spektrum: Singen, Musizieren, Musik erfinden, Bewegen und Tanzen, Musik rezipieren, über Musik nachdenken und sprechen, musikalisches Gestalten in Verbindung mit den anderen Künsten, den Gesang von Grundschulkindern auf einem geeigneten Akkordinstrument begleiten, geeignete Unterrichtsinhalte auswählen, mit Heterogenität produktiv umgehen, musikalische Prozesse und Ergebnisse beurteilen und bewerten, mit außerschulischen musikalischen Institutionen kooperieren, musikalische Aktionen in der Schulgemeinschaft initiieren…
Das kann kaum jemand, der kein Musiklehrerstudium absolviert hat. Folgerichtig beziehen sich viele der Forderungen des BMU auf die Qualifizierung der Lehrerinnen und Lehrer, die Musik unterrichten:
- Wenn die Klassenleiterin beziehungsweise der Klassenleiter den Musikunterricht in ihrer/seiner Klasse erteilen soll, ist innerhalb des Lehramtsstudiums für die Grundschule ein fundiertes und umfassendes Fach-Studium vorzusehen.
- Lehrkräfte, die Musik ohne ein Studium dieses Faches unterrichten, sind im Rahmen ihrer Dienstzeit umfassend nachzuqualifizieren.
- Die Anzahl der Studienplätze für das Fach an der Grundschule ist zu erhöhen, sodass bestehende Lücken in angemessener Zeit geschlossen werden können. Es sind Maßnahmen zu ergreifen, um alle Studienplätze auch zu besetzen.
- An allen grundschullehrerbildenden Hochschulen soll eine bestandene Eignungsprüfung im Fach Musik zu einem deutlichen Bonus bei allen anderen Eingangsvoraussetzungen führen.
- An allen grundschullehrerbildenden Hochschulen ist Musik als Haupt- oder Nebenfach anzubieten. An allen musiklehrerbildenden Hochschulen ist auch ein Studiengang für die Grundschule anzubieten. (Quelle: „Musikalische Bildung in der Grundschule. BMU-Position zur inhaltlichen und personellen Ausgestaltung des Musikunterrichts an der Grundschule“, S. 4)
Weiterhin fordert der BMU (vollständig zu lesen unter www.bmu-musik.de):
- Der Musikunterricht muss in der Stundentafel der Grundschule mit mindestens zwei Stunden pro Woche verankert sein.
- Musikunterricht an den Grundschulen muss Fachunterricht sein und darf nicht in Fächerverbünden oder Klassenleiterunterricht untergehen.
- An jeder Grundschule muss es mindestens eine Musiklehrkraft geben.
- Die Vergütung der Musiklehrkräfte ist der an weiterführenden Schulen gleichzustellen.
Vielen Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitikern – insbesondere, wenn ihr grundschulischer Musikunterricht bereits Jahrzehnte zurückliegt – scheint die besondere Bedeutung aber auch die Spezifik des Musikunterrichts in der Grundschule nicht bewusst zu sein: Aufbauend auf vorschulische musikalische Erfahrungen erfüllt dieser eine wichtige Funktion, indem er das kindliche Bedürfnis nach Auseinandersetzung mit der musikalischen Umwelt und eigener musikalischer Betätigung aufgreift, es bestärkt und für eine grundlegende musikalische Bildung nutzt. Grundschulkinder sind offen und unvoreingenommen gegenüber verschiedenen Musikstilen und Genres, ebenso gegenüber vielfältigen Umgangsweisen mit Musik. Diese Offenheit gilt es zu nutzen und den Kindern vielfältige aktive, zur Persönlichkeitsentwicklung ebenso wie zur sozialen Interaktion beitragende und sinnstiftende Begegnungen mit Musik verschiedener Zeiten und verschiedener Kulturen zu ermöglichen, das Nachdenken und den Austausch über Musik anzuregen sowie musikpraktische Kompetenzen zu fördern. Bestenfalls schließt der Musikunterricht der weiterführenden Schulen daran an und greift diese Fähigkeiten auf.