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Titelseite der nmz 2024/06.

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Herrenberg

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Editorial von Andreas Kolb
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Wie sich Innenstädte verändern werden, wenn die Kaufhäuser verschwinden, wissen wir nicht. Aber wir ahnen, was uns fehlen wird. Wie sich unsere Städte verändern würden, wenn die Musikschulen fehlten? Unvorstellbar! Zumindest für die Städte mit kommunalen Musikschulen. Bei der e.V.-Musikschule oder der kleinen privaten Musikschule ist dieses Szenario mancherorts Realität. Musikschulen drohen zu Makler-Büros zu werden. Der Grund ist das sogenannte „Herrenberg“-Urteil des Bundessozialgerichts, das im Fall einer klagenden Klavierpädagogin festgestellt hat, ab wann eine Musikschullehrkraft in ihrer Institution eingegliedert ist und damit Anspruch auf soziale Absicherung wie eine Angestellte hat. Den Schulträgern drohen hohe finanzielle Forderungen der Sozialversicherungen – auch rückwirkend – und den Musikschulleiter*innen persönliche Haftungsrisiken. 

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Das Herrenberg-Urteil ist nicht das einzige Problem der Institution Musikschule. Musikhochschulen klagen über immer weniger Bewerbungen auf die pädagogischen Fächer. Massiver Fachkräftemangel zeichnet sich Jahr für Jahr stärker ab. Viele Honorarkräfte an Musikschulen wollen gar nicht Festangestellte werden, was den Fachkräftemangel noch einmal verschärft.

Derzeit arbeiten in Deutschland etwas über 5 Millionen Menschen im öffentlichen Dienst, das sind ungefähr zehn Prozent aller abhängig Beschäftigten. Unter vielfältigen Berufen findet sich auch ein schmales Grüppchen von 17.000 Köpfen: die sozialversicherungspflichtig angestellten Musikschullehrkräfte. Diese werden um die gleiche Zahl von Honorarlehrkräften ergänzt. Während sich die eine oder andere Personengruppe in den letzten Jahren neben den Tarifsteigerungen auch eine Verbesserung ihrer Eingruppierung nach dem TVöD erkämpfen konnte, sind Musikschullehrer und -lehrerinnen seit 37 Jahren unverrückbar mit TVöD9b eingruppiert. Aufstiegschancen trotz hoher Qualifikation sind praktisch gleich null. 

 Im Kulturpolitischen Forum des WDR „Kommunale Musikschulen. Welche Zukunft haben sie?“, das kürzlich auf der Hauptarbeitstagung des Verbands deutscher Musikschulen in Wuppertal aufgezeichnet wurde und in der WDR-Mediathek nachhörbar ist, wurden die Problemthemen Nachwuchsgewinnung, Beschäftigungsverhältnisse und Tarifentwicklung mit Vertretern des Deutschen Städtetags, des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, der Kommunalen Arbeitgeberverbände NRW und des VdM nicht nur diskutiert, sondern auch Lösungswege aus der Krise aufgezeigt. Man muss sich nur trauen, sie zu gehen.

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